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Erforschen, wo uns der Schuh drückt
Der Wohlstand läßt uns auf größerem, aber nicht auf gesünderem Fuß leben. Dem will nun ein Expertenteam des Wiener Instituts für Wissenschaft und Kunst abhelfen.
Der Wohlstand läßt uns auf größerem, aber nicht auf gesünderem Fuß leben. Dem will nun ein Expertenteam des Wiener Instituts für Wissenschaft und Kunst abhelfen.
Unsere Großväter besaßen meist nur ein oder zwei Paar Schuhe, und die waren vom Schuster — oft nach ihrem eigenen Leisten —angefertigt. Wir haben heute für jede Jahreszeit mehrere Paar solcher lederner Fußbekleidung, die wir bei genügend großer Auswahl in zahlreichen Schuhgeschäften erstehen können. Wenn wir in den achtziger Jahren auch auf größerem Fuße leben, auf gesünderem leben wir sicher nicht. Denn die topmodischen Stiefel, Pumps und Sandaletten sind nicht auf unsere Körpermaße zugeschnitten, sondern unser Fuß muß sich dem fabriksgefertigten Schuh anpassen. Deformierun-gen, oft mit unangenehmen Schmerzen verbunden, sind die Folge.
Seit über einem Jahr gibt es in Österreich eine Gruppe von Experten, die sich mit diesem Problem auseinandersetzt. 16 Fachärzte verschiedener Disziplinen, orthopädische Schuhmacher, Fußpfleger, Gymnastiklehrer und Designer treffen einander regelmäßig, um gemeinsam gegen diese durch Unvernunft und Geschäftssinn begünstigten Schäden vorzugehen. Der Arbeitskreis „pes formosus“ (der wohlgestaltete Fuß) kam auf Initiative des Wiener Instituts für Wissenschaft und Kunst (IWK), insbesondere der dazugehörigen Forschungsstelle für Morphologie unter der
Leitung von IWK-Präsident Alfred Gisel, zustande.
In einem Langzeitprogramm von insgesamt acht Jahren werden bei Kindern und Jugendlichen zwischen dem zehnten und 18. Lebensjahr wiederholt Messungen vorgenommen und graphische Karteien angelegt. Die Forscher arbeiten vor allem in Schulen, Kindergärten, Bädern, Kinderhorten und Ferienschulen in der Stadt und auf dem Land. Da sich die Wachstumsschritte und Proportionen in diesem Alter ständig ändern, erwartet man sich aufschlußreiches Material aus den Untersuchungen. Es ist das erste Mal, daß derartige Langzeitmessungen vorgenommen werden.
Außerdem erhofft man sich durch die Zusammenarbeit verschiedener Experten genauere und vielfältigere Ergebnisse. So wird zum Beispiel auch ein Dermatologe hinzugezogen, der über die durch schlechtes Schuhwerk begünstigte Ausbreitung von Püzerkrankungen Auskunft geben kann.
Ziel des Arbeitskreises ist es, wissenschaftlich fundierte Empfehlungen für die Bekleidungsindustrie geben zu können. Bereits im nächsten Jahr sollen erste Ergebnisse der Forschungsarbeit veröffentlicht werden. Projektleiter Alfred Gisel ist sich darüber im klaren, daß sich auch in Hinkunft nicht sämtliche Schuherzeuger an die Empfehlungen der Wissenschaftler halten werden: „Es gibt jedoch bereits erste derartige Ansätze, und wir hoffen, daß auch öffentliche Stellen einen gewissen Einfluß auf die Herstellung dieser Produkte geltend machen.“
Alfred Gisel, emeritierter Professor für Anatomie, arbeitet an der Forschungsstelle für Morphologie auch noch an anderen Projekten, bei denen der Schwerpunkt jedoch auf seinem eigenen Fachgebiet liegt. Wenn es um die“ Hüfe bei der Abfassung wissenschaftlicher Manuskripte oder um die Illustration solcher Arbeiten geht, springen Gisel und seine Mitarbeiter unterstützend ein.
„Besonders, wenn sie in medizinischen Grenzgebieten, die nicht mehr auf rein naturwissenschaftlich exakter Basis beruhen, arbeiten, brauchen die Wissenschaftler oft unsere Unterstützung bei ihrer Arbeit oder bei Publikationen.“
„Wir verstehen Uns als eine Clearingstelle“, betont der Leiter, „die Wissenschaftlern aus jedweder Fachrichtung Gelegenheit zu relevanten Forschungen gibt.“ Er verweist nicht ohne Stolz darauf, daß weltweit bekannte Forscher wie Konrad Lorenz schon vor Jahrzehnten hier die Gelegenheit zur Arbeit fanden.
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