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Digital In Arbeit

Dm 1.Mai noch feiern?

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Was ist aus der von Karl Renner mit Stolz und Genugtuung verkündeten „Dreieinheit der Arbeiterbewegung” von dereinst geworden?

Der eine „rote Riese”, der Konsumverband, der das Herzstück der Genossenschaftsbewegung als einer der drei Säulen der Arbeiterbewegung bildete, wird mit Hilfe der Rank für Arbeit und Wirtschaft (RAWAG), die längst nicht mehr „Arbeiterbank” wie in der guten alten Zeit, da Renner deren Präsident war, heißt, und des Osterreichischen Gewerkschaftsbundes (OGR) saniert, wohl mehr aus Prestigegründen denn aus rein ökonomischen Überlegungen

Doch auch der Gewerkschaftsbund ist nicht mehr das, was er war, er ist ebenso wie die SPO von einer Sinnkrise und einer schleichenden Auswanderung Zehntausender Mitglieder bedroht. Und Partei und Gewerkschaft sind nicht mehr die „siamesischen Zwillinge”, von denen Victor Adler sprach, sondern, wenn schon nicht verfeindete, so doch einander entfremdete Rrü-def, die um'das gemeinsame Erbe bangen.

Ökonomische Werte von symbolischer Redeutung haben längst das Zeitliche gesegnet: die „Arbeiter-Zeitung” ist trotz aller Remühungen eingegangen und das „Vorwärts”-Gebäude, einst nicht bloß der Sitz, sondern auch-die Festung und Trutzburg der Partei, ist verkauft worden, ist nur in Restbeständen erhalten und hat einem Hotel Platz gemacht.

Alle diese Symbole sind nach den letzten Rittern und Kämpen des Austromarxismus, den persönlichen Symbolfiguren eines Rruno Kreisky und Josef Hindels dahingegangen, ohne daß ihre Ideale und ihre Politik eine Fortsetzung gefunden haben.

Die SPÖ wäre unter diesen Umständen gut beraten, auch eines der letzten Symbole, die noch aus einer besseren Vergangenheit in die Gegenwart hineinragen, fallenzulassen und den heurigen Aufmarsch am 1. Mai abzusagen, nachdem die sozialistische Jugend ihren traditionellen Fackelzug am Vorabend des Tages der Arbeit schon voriges Jahr abgeblasen hat. Denn gegen wen will man im Zeichen des Sparpaketes mit seinen Transparenten und Forderungen eigentlich noch agitieren?

Oder sollen die Transparente Ergebenheitsadressen an den Noch-Parteivorsitzenden enthalten, der von der Tribüne vor dem Rathaus aus den Genossen zuwinkt und sich von ihnen winken läßt, aus dem sicheren Gefühl heraus, oben zu stehen und gegen all jene Wechselfälle, denen die einfachen Anhänger jetzt ausgesetzt werden, denkbar gut abgesichert zu sein?

Wahrlich es bedürfte eines Karl Kraus, um diese letzten Tage zu beschreiben, oder eines Johann Nestroy, um die Preisfrage, die sich angesichts solcher Konfrontationen stellt, zu beantworten: „Wer ist stärker, i oder i?”.

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