Generationenkonflikt: "Zwentendorf und Mödling"
Hubert Feichtlbauer über die gegensätzlichen politischen Anschauungen der Generationen, Ursachen der Zerklüftung und der Notwendigkeit, die Jugend mit aufrechten Argumenten zu konfrontieren.
Hubert Feichtlbauer über die gegensätzlichen politischen Anschauungen der Generationen, Ursachen der Zerklüftung und der Notwendigkeit, die Jugend mit aufrechten Argumenten zu konfrontieren.
Die Volksbefragung in Mödling hat eine (rechtlich unverbindliche) Dreiviertelmehrheit gegen die Weiterführung des dortigen Rehabilitationszentrums für einstige Drogenkranke gebracht - freilich bei einer Wahlenthaltung von mehr als der Hälfte der Stimmberechtigten.
Die Besorgten in Mödling werden triumphieren. Ihnen ist die Genugtuung (mehr als popularitätsgeilen Politikern) auch zuzubilligen: Ehrliche Sorge um die Bewahrung der eigenen Jugend vor dem Drogenkrebs verdient naturgemäß Respekt.
Verständnis und Bemühungen
Respekt haben von Anbeginn aber auch die Bemühungen jener verdient, die um Verständnis dafür warben, daß den Opfern unserer konsumberauschten Gesellschaft inmitten dieser Gesellschaft (und nicht irgendwo draußen in einem Aussätzigendorf wie vor 2000 Jahren) die Chance einer Heilung auf Dauer geboten werden sollte.
Das Besorgniserregende am Volksvotum von Mödling ist, daß die überwältigende Mehrheit junger Menschen dafür war, den Krankgewordenen diese Chance zu geben. Sie stießen auf das mehrheitliche Nein der mittleren und älteren Generation.
Dieser Art der Polarisierung begegnen wir auch in der Kernkraftfrage. Die meisten Jugendlichen, gleich welcher weltanschaulichen Herkunft, lehnen die Kernkraft wegen ihrer Risken für künftige Generationen ab. Der „Dialog", der mit ihnen geführt wird, beschränkt sich auf Hinweise wie: „Eine wachsende Wirtschaft braucht * mehr Energie." Und: „Ohne Wachstum werden Arbeitsplätze gefährdet."
Waffen-oder Zivildienst?
Das heißt: Die meisten Gesprächspartner haben bis heute nicht begriffen, worum es dieser Jugend geht. Sie argumentieren an ihr total vorbei. Die Beispielfalle lassen sich fortsetzen: Auch in der Frage Waffen- oder Zivildienst, Kriegs- oder Friedensarbeit, Entwicklungshilfe und Entwicklungspolitik verlaufen die Fronten vor allem zwischen den Generationen und nicht so sehr zwischen den Parteien.
Wenn man den vermutlichen Ursachen solcher Zerklüftung nachspürt (und wir Älteren sollten da mit jedem Urteil zurückhaltend und bescheiden sein), dann drängt sich die Vermutung auf, daß eine vom Konsum- und Machtwahn ihrer Väter angeekelte junge Generation geradezu verzweifelt nach Möglichkeiten sucht, ihren Idealismus zu praktizieren.
Wir aber belehren diese Jugend noch immer mit selbstgefälliger Betulichkeit, daß Kriege unvermeidlich, quantitatives Wirtschaftswachstum unverzichtbar, Korruption eine notwendige Begleiterscheinung des Wohlstandes und das Reden von alternativen Lebensformen liebliche Spinnereien seien.
Entzweiung
Das ist die sicherste Methode, um jung und alt unaufhebbar miteinander zu entzweien: Wer dabei auf Sicht den kürzeren ziehen wird, ist unschwer zu erahnen. Freilich: Der Jugend kritiklos recht zu geben, wäre nicht weniger verachtenswert. Speichelleckerisches Buhlen um ihre Gunst würde uns von den Jungen mit Recht genau so wenig verziehen. Was sie suchen und so selten finden, ist das aufrechte, sachbezogene, begründende, aber auch widerlegbare Argument.
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