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Genossen in Bagdad
Der Abschluß eines zunächst auf fünfzehn Jahre befristeten Freundschafts- und Beistandspaktes zwischen der Sowjetunion und dem Irak durch Premier Kossygin in Bagdad stößt in der arabischen öffentlichkeit und bei den Regierungen der Nachbarländer auf große Besorgnis. Die Beiruter Presse registrierte letzte Woche, daß die arabische Welt, die sich gerade erst vom westlichen Kolonialismus freigekämpft und erfolgreich gegen ihre Einbeziehung in das westiche Bündnissystem gewehrt habe, durch diesen neuen „Bagdad-Pakt“ und das gleichlautende Abkommen mit Kairo auf unabsehbare Zeit in die Fangarme des sowjetischen Imperialismus geraten sei. In Tripolis kritisierte man den Vertrag als hinterlistiges Manöver zur Unterdrückung des arabischen Unabhängigkeitswillens. Besonders besorgt ist man im dem Irak unmittelbar benachbarten ölscheichtum Kuweit, gegen das die Bagdader Regierung wiederholt Gebietsansprüche geltend machte. Unruhe herrscht auch in Saudi-Arabien und im Iran. In beiden Ländern ist man sich darüber einig, daß der Pakt den Sowjets einen direkten Zugang zum Persischen Golf verschafft habe und daher ein gefährlicher Störfaktor für die politische Entwicklung dieses vorwiegend in Instabilen Kleinstaaten beherrschten Gebietes darstelle.
Besorgnis der anderen Araber
Einer der Gründe für die seit einem dreiviertel Jahr betriebene sowjetische Annäherung an den Irak ist aber die für den Kreml besorgniserregende Entwicklung in Ägypten. Zweifellos soll der Pakt mit Bagdad auf Kairo Druck ausüben und die dortige Machtposition absichern. Nach Ansicht von Kennern der Verhältnisse ist der globale Aspekt der Moskauer Einflußsuche im Zweistromland jedoch von größe-
Kossygin in Bagdad (bei der Kranzniederlegung vor einem Kriegerdenkmal): Einfluß auf Europas Ölversorgung Photo: AP rer Bedeutung. Durch das Abkommen erhält die Sowjetunion zum erstenmal direkten Einfluß auf die Erdölversorgung Westeuropas. In erster Linie geht es dem Kreml jedoch wohl darum, sich vor den in etwa sechs Wochen in der sowjetischen Hauptstadt stattfindenden Gipfelgesprächen mit USA-Präsident Nixon eine weitere Machtposition im Nahen Osten zu sichern. Darüber hinaus besteht, wie man in arabischen diplomatischen Kreisen glaubt, sicher auch ein Zusammenhang mit den Verhandlungen des stellvertretenden sowjetischen Außenministers Sorin in Algier und Kairo und dem Staatsbesuch des sowjetischen Präsidenten Podgorny in Ankara.
Der Irak läßt sich durch seine geographische Nähe zur Sowjetunion politisch und strategisch leichter beeinflussen als Ägypten. Die instabilen politischen Verhältnisse im Zweistromland könnten sich allerdings rasch gegen die sowjetischen Interessen auswirken. Der gegenwärtige Diktator el-Bakr ist ein schwerkranker Mann. Sein aussichtsreichster Nachfolger et-Takriti müßte jedoch mit starken innerpolitischen Wiederständen rechnen. Vor allem aber dürfte sich das sowjetische Vorgehen in Bagdad nachteilig auf das Verhältnis anderer arabischer Staaten zu Moskau auswirken. Schon jetzt ist erkennbar, daß Syrien, bislang bevorzugter sowjetischer Klient im ostarabischen Raum, mehr und mehr auf die antikommunistische Linie des föderationsverbündeten Libyen einschwenke
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