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Harmonie in Rot und Blau

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Die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Freiheitlichen ist keine „unnatürliche” Verbindung. Ein Blick in die Geschichte erhelltdie Zusammenhänge.

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Die Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Freiheitlichen ist keine „unnatürliche” Verbindung. Ein Blick in die Geschichte erhelltdie Zusammenhänge.

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Viele schütteln heute den Kopf, sowohl über die bestehende Koalition von Sozialisten und Freiheitlichen, als auch über die Zusammensetzung der FPÖ aus „Nationalen” und Liberalen. Dieses Erstaunen ist aber gar nicht überraschend, denn der moderne Mensch weiß von der Geschichte, insbesondere aber von der Ideengeschichte weniger als ein Kaninchen.

Apropos Kaninchen! Das sind Lebewesen, die, abgesehen vom Futter, ein rein horizontales, geselliges Leben mit anderen Kaninchen führen, und diese Rückkehr ins Tierreich hat unsere westliche Kultur graduell seit 200 Jahren erfahren, als wir von der Vertikali-tät abkehrten.

Vorher war ganz unbestritten Gott-Vater im Himmel, der Heilige Vater in Rom, der Monarch der Vater des Vaterlandes und der Vater der König in der Fanülie. Mit der Aufklärung und der Französischen Revolution, die uns die Demokratie und die Guillotine (technischer Fortschritt!) brachte, wurde es anders.

Der Kollektivismus ersetzte den Personalismus. Nicht Väterlichkeit, sondern Gleichheit und Brüderlichkeit wurden zum Programm.

Unter der Oberfläche der Romantik blühte der kollektivistische Horizontalismus fröhlich weiter. Beim Wartburgfest (1817) ergänzten die Studenten das Schwarz-Gold des Reichs mit dem Rot der Revolution. Sie verbrannten Bücher, was man 1933 getreu kopierte.

Alles „Horizontale” ist links, daher auch der Klassenwahn, der Nationalismus und der Rassismus. Rechts steht der Patriotismus (die „Vaterlandsliebe”), rechts steht die Vielfalt, links die „Ein-Falt”. Links stehen der Parteienstaat und der Nationalstaat, rechts der echte Reichsgedanke, der das Zifferngeschwätz ablehrit und sich weigert, über Majoritäten und Minoritäten zu reden.

Mit der Abschaffung des Vaters wird der Bruder verherrlicht, und so kommt es natürlicherweise zum Big Brother im schlichten Gewände. Mit den Herrschern ist es aus, und es kommen die Führer, die Völker aber vom Regen in die Traufe.

In dieses Schema paßt der nationale oder internationale Sozialismus großartig hinein. Es hassen sich schließlich Klassen, Völker und Rassen. Karl Marx war ein glühender Judenhasser, der dem „Stürmer” von Julius Streicher die Idee gegeben hatte, daß die Juden „vernegert” seien — Ferdinand Lassalle beschimpfte er als .jüdischen Nigger”.

Dank des Darwinismus wurde nun nach einiger Unterbrechung der alte, auf irrtümlicher Schriftauslegung beruhende Antiju-daismus durch den biologischen Antisemitismus ersetzt. Ein sektiererischer Altliberalismus, der den von katholischen Aristokraten (Tocqueville, Montalembert, Acton) vertretenen Frühliberalismus verdrängte, förderte den „wissenschaftlichen” Biologismus und verband sich zuerst einmal mit dem Nationalismus.

Bezeichnenderweise begannen die Führer der österreichischen Sozialdemokratie, Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer, als Deutschnationale, bis in der Schönerer-Partei der Antisemitismus überwog. Doch blieben unsere Sozialdemokraten bis in die vierziger Jahre hinein eine stramme Anschlußpartei.

Rekapitulieren wir: die SPÖ/ FPÖ-Koalition besteht ideologisch aus dem Erbe der Französischen (1789) und der Deutschen Revolution (1933), dem antiklerikalen Altliberalismus und dem

Marxismus, rein parteilich aber aus den Anschlußparteien von 1919 bis 1934, der großdeutschen und der sozialdemokratischen.

Keine dieser „Horizontalparteien” hat mit der Waffe in der Hand gegen den nationalen Sozialismus gekämpft, sondern sogar manchmal in schwarz-grünen Anhaltelagern rot-braune Agapen gefeiert (was Rote später bereut haben mögen). Den offenen Kampf kämpften eben die „Vaterländischen”.

Die Nachkommen der Großdeutschen und Sozialdemokraten sind bürgerlich-aufklärerisch (Ist die SPÖ am Ende vielleicht „proletarisch”? ).

Das linke Erbe des Nationalsozialismus ist eben bei uns noch sehr deutlich vorhanden: unwichtig ist das von Hitler wiederholte Verbot österreichischer Adelsbezeichnungen (einzigartig westlich des Eisernen Vorhangs), charakteristisch ist die nicht mehr vom Staat eingehobene Kirchensteuer nach braunem Muster und höchst bezeichnend die Zwangszivilehe. Otto Bismarck kopierte sie von den Franzosen, die Braunen führten sie bei uns ein, und die Roten bestehen nun darauf.

Was die Koalitionspartner SPÖ und FPÖ heute harmonisch verbindet ist der Horizontalismus ihrer Weltanschauungen, das Fehlen jeglicher christlicher Spiritualität, ihre genozide Haltung „unerwünschtem Leben” gegenüber (die der frühere evangelische Landesbischof Oskar Sakrausky als „Weg nach Auschwitz” bezeichnete) und ihre Modernität.

Man muß es ihnen lassen, daß sie als Opfer der Ersten und Zweiten Aufklärung höchst zeitgemäß und fortschrittlich sind. Kein Wunder, denn schon Gilbert Keith Chesterton hatte uns gewarnt, daß die Kirche allein uns vor der erniedrigenden Knechtschaft bewahrt, ein „Kind seiner Zeit” zu sein.

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