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Hymne an den christlichen Menschen

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Man hat die Enzyklika als Hymne an den Menschen gepriesen. Tatsächlich steht der Mensch mit seinen Hoffnungen, mit seinen Nöten und Ängsten im Zentrum dieses Dokuments. Johannes Paul II. entwirft das christliche Bild des Menschen und zeichnet seine Konturen auf der Kontrastfolie des modernen Atheismus, sowohl des westlichen, geprägt von Materialismus und Konsumismus, als auch des östlichen, geprägt von Marxismus und Kollektivismus.

Dieses christliche Bild vom Menschen nimmt seine Leuchtkraft von Gott, seinem Schöpfer, und von Christus, seinem Erlöser her. Daher nennt Johannes Paul II. seine erste Enzyklika „Redemptor hominis“. Von seinem Redemptor, von seinem Erlöser her, ist also der Mensch zu verstehen, findet der Mensch zu sich, das heißt, zu seiner ins Göttliche reichenden Tiefe, zu seiner Einmaligkeit und seiner Würde.

Für viele Atheisten, zumal Marxisten, ist Religion hingegen eine Verwirrung des menschlichen Geistes, von welcher der Mensch durch aufgeklärte Erziehung zu befreien sei. Erst durch diese Befreiung finde der Mensch zu seiner wahren Würde, zu seiner Identität und zu seiner Autonomie.

Johannes Paul II. unterzieht diese Auffassung einer sachlich ruhigen, frei von Polemik gehaltenen Kritik, indem er vor allem auf die Verirrungen des Atheismus in der modernen Zeit verweist. Der Mensch der Gegenwart ist zudem der Furcht ausgesetzt, daß sich manche seiner Erfindungen in radikaler Weise gegen ihn selbst wenden und - wenn sie in falsche Hände geraten - zum Mittel und Instrument einer unvorstellbaren Selbstzerstörung werden könnten. Das Ende des zweiten Jahrtausends erscheint daher als eine Zeit großen Fortschritts, aber ebenso als eine Zeit vielfältiger Bedrohungen.

Vor diesem Hintergrund entwirft Karol Wojtyla das christliche Bild vom Menschen. Wer wie er konsequent vom Gottesglauben her denkt, wird die Beziehung zwischen Gott, dem Schöpfer und dem Menschen, seinem Geschöpf, nur, positiv, bereichernd, beglückend erfassen können. Tatsächlich sieht er biblisch Jesus Christus als den großen Mittler zwischen Gott und Mensch, der im Dienst gerade dieser Bereicherung und Beglückung steht.

Dieser Gedanke ist der Schlüssel zum Ursprung der ganzen Enzyklika! Christus führt durch die Erlösung den Menschen wieder zu „Gottes Quelle der Weisheit und der Liebe zurück“.

Wenn sich der Mensch im Leid seinem Schöpfer und Erlöser öffnet, dann beginnt in ihm ein tiefgreifender Prozeß, der ihn nicht nur zur Anbetung Gottes veranlaßt, sondern auch zu tiefem Staunen über sich selbst führt.

Wie Christus steht auch das Evangelium im Dienst des Menschen und seiner Entfaltung. Der Papst formuliert prägnant: „Dieses tiefe Staunen über den Wert und die Würde des Menschen nennt sich Evangelium, nennt sich Frohe Botschaft“.

Wenn das Recht auf Religionsund Gewissensfreiheit gefordert wird, dann liegt dies auf derselben gedanklichen Ebene. Die Verweigerung dieser Rechte hindert einmal den Menschen, sich selbst in seiner tiefen Dimension in der Einmaligkeit seiner Würde und in der Größe seiner Verantwortung zu finden, was die Gefahr heraufbeschwört, daß dadurch die Rechte ganzer Nationen gefährdet werden.

Die Enzyklika schließt mit einem Abschnitt über Maria, „die Mutter unseres Vertrauens“. Der Papst ist der Überzeugung, daß kein anderer Mensch uns besser in die göttliche und menschliche Dimension des Geheimnisses der Erlösung einführen kann als sie. Die Enzyklika - eine „Hymne an die Menschen“? Ja, eine an den christlichen Menschen!

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