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In „Geheimmission” nach Rom

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Der 28jährige Hermann Geißler, Kaplan in der Pfarre St. Gebhard in Bregenz, wird künftig an der Glaubenskongregation in Rom wirken und damit einer der wenigen Österreicher im Vatikan sein.

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Der 28jährige Hermann Geißler, Kaplan in der Pfarre St. Gebhard in Bregenz, wird künftig an der Glaubenskongregation in Rom wirken und damit einer der wenigen Österreicher im Vatikan sein.

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Es ist nicht alltäglich, daß ein erst zwei Jahre zuvor geweihter junger Priester an die von Kardinal Ratzinger geleitete oberste Glaubensbehörde geholt wird. Noch ungewöhnlicher ist, daß über die Tatsachenmeldung hinaus ein Mantel des Schweigens gebreitet wird.

Der gebürtige Tiroler Hermann Geißler aus Wattenberg ist Mitglied der internationalen Gemeinschaft „Das Werk”, die seit 1983 ihren Hauptsitz im ehemaligen Dominikanerinnenkloster in Thalbach hat und vor 55 Jahren von der Belgierin Julia Verhaege gegründet wurde, die, als „Mutter Julia” verehrt, ihren Lebensabend in Bregenz verbringt.

Viel ist über „Das Werk” nicht in Erfahrung zu bringen. Recherchen der FURCHE über die Hintergründe der Berufung des Jungpriesters Geißler nach Rom stießen ins Leere. „Vermutlich weiß nur der Bischof Bescheid”, hieß es in der Diözesanführung in Feldkirch.

Geheimnistuerei

Der seit vielen Jahren von der Bre-genzerwälderin Maria Katharina („Mikle”) Strolz geleiteten, 1938 in Belgien gegründeten Gemeinschaft gehören Laien, Schwestern, Seminaristen, Priester und angeblich auch Bischöfe an. „Das Werk” ist in mehr als einem Dutzend europäischer Länder, seit 1963 auch in Österreich (Bregenz, Bregenzerwald, Innsbruck, Wien) tätig. Niederlassungen gibt es auch in Rom, in Jerusalem und in Afrika. Seine Mitglieder wirken auch in der Seelsorge, im Sozialbereich, in der Hauskrankenpflege, der Familienhilfe, der Altenpflege und in der Wissenschaft (Kardinal-Newman-Forschung). Sie wollen das Leben in der Welt mit der Frohbotschaft Christi durchdringen.

Zahlen über Mitglieder oder den Anteil der Priester sind nicht zu bekommen. „In verschiedenen Ländern wirken kleine Gruppen von Priestern”, lautete die dürftige Auskunft. Auch die Bitte um die Urlaubsadresse von Kaplan Hermann Geißler für ein Telefoninterview wurde abschlägig beschieden: Kaplan Geißler wünsche dies nicht, alle nötigen Informationen seien bereits veröffentlicht. Weiter darüber zu schreiben, sei in der augenblicklichen Situation nicht wünschenswert.

Einseitiger Vatikanismus

Diese Nicht-Informationspolitik steht in merkwürdigem Kontrast zur Intention des „Werkes”, das vom Bregenzerwälder Barockbaumeister Michael Thumb erbaute und vom „Werk” hervorragend renovierte Kloster Thalbach als „Internationales Zentrum”, als einen offenen Ort der Begegnung und Besinnung zu führen und die Wallfahrtstradition zum Gnadenbild Mariens neu zu beleben.

Tatsächlich kommen Mitglieder des „Werkes” aus aller Welt, aber auch Gäste, insbesondere in den Sommermonaten nach Thalbach, um Ruhe, Erholung und zu sich zu finden, Gemeinschaft zu erleben. Aber es sind nicht nur Erholungssuchende, die in Thalbach Quartier nehmen, sondern ebenso Kardinäle, Bischöfe, Prälaten aus Rom. „Kardinäle und Bischöfe gehen in Thalbach ein und aus”, bemerkte ein Vorarlberger Geistlicher dazu. Doch selbst Kenner des

„Innenlebens” der Kirche in Vorarlberg wissen kaum etwas Genaueres über „Das Werk” und die Berufung des jungen Priesters Geißler nach Rom.

Die offizielle Version des „Werkes”: Diözesanbischof Klaus Küng habe auf Wunsch der Glaubenskongregation Hermann Geißler, der seine Studien an der Theologischen Hochschule Heiligenkreuz bei Wien und an der Lateranuniversität in Rom absolviert hat, unter anderem wegen seiner Sprachkenntnisse und Rom-Erfahrung nominiert.

Das mag formal stimmen, aber: „Eine Berufung durch Kardinal Ratzinger? Da ist mein Glaube an den Heiligen Geist zu klein”, meinte fast zynisch ein hoher Vorarlberger Geistlicher und verweist auf die guten Kontakte, die „Das Werk” zur obersten Hierarchie in Rom „intensiv pflegt”. Es sei für ihn nicht verwunderlich, daß das „Werk” interessiert sei, .jemanden in die Glaubenskongregation hineinzubringen”.

Derselbe Geistliche, der nicht namentlich genannt werden wollte, sieht wie andere Gesprächspartner „Das Werk” theologisch ähnlich positioniert wie das „Opus Dei”, das mit dem ersteren trotz ähnlichen Namens nichts zu tun hat. Er nennt dessen Position „sehr rechtsgerichtet und fundamentalistisch angehaucht. Sie legen Vatikanismus sehr einseitig aus und stehen Papst Pius XII. nahe, den sie sehr verehren”.

Wohl nicht zufällig hängt ein Bild des Vorgängers des Konzilspapstes Johannes XXIII. im Besuchszimmer im Kloster Thalbach. Wohl nicht zufällig erinnern manche Predigten und die Liturgie an vorkonziliare Zeiten. Wohl nicht zufällig weiß man im Diözesanhaus in Feldkirch von glühenden Verehrern des „Werks” und nicht wenigen scharfen Gegnern.

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