6815706-1973_07_14.jpg
Digital In Arbeit

Katholisch, modern, aber dennoch gut!

Werbung
Werbung
Werbung

Beer-Hofmanns Feder gibt es kein ähnliches Zeugnis, im Gegenteil, er erklärt einmal, weshalb er es für richtig gehalten habe, oft eine gewisse räumliche und zeitliche Distanz einzuhalten.

Die • ollständige Rekonstruktion dieses merkwürdigen Verhältnisses ist auch deshalb nicht möglich, weil die beiden Dichter in entscheidenden Jahren ihres Lebens, von 1902 bis 1906, in Rodaun in engster Nachbarschaft beisammen wohnten. In jener Zeit haben, wenn auch nicht über über 1000, wie Beer-Hofmann einmal schätzt, so doch einige hundert Gespräche stattgefunden — und über diese gibt es natürlich keine Aufzeichnungen. Damals hoffte Hof-mannisthal auf anregende Zusammenarbeit, etwa auf „das gemeinsame Erfassen der antiken Dramatiker", „nun", so schreibt der 27jäh-rige, „da wir beide nicht mehr ganz jung sind und so isoliert in der Welt ..."

Beer-Hofmann hat auf seine Dichter-Kollegen eine faszinierende Wirkung ausgeübt. Erich von Kahler zum Beispiel schrieb über ihn: „Seine überlegene Haltung, die alle widerstrebenden Kräfte ausschied, bemeisterte oder bezauberte, und das im großen und ganzen widerstandslose Leben, in dem er sich immer bewegte, beides war eins, bedingte sich gegenseitig und gab ihm das Auftreten und Ansehen eines Fürsten."

Hofmannsthal sah ihn anders. Er fürchtete, daß Beer-Hofmann sich als Autor nicht genug anstrenge und schrieb ihm einmal: „Wenn ich wüßte, daß meine Person, in irgendwelcher Weise angewendet, diese grauenhaft krankhafte Vergeudung ihres Wesens hemmen oder nur mindern könnte", und das bloße Denken daran erbittere und ermüde ihn auf eine merkwürdige Weise ... „Es hat für mich etwas so Entmutigendes, Sie nur fortwährend das Dasein mühsam von sich abwehren zu sehen, daß ich manchmal ganz verzagt werde." 1909 schreibt Hofmannsthal: „In früheren Jahren lebte ich in der ganz grundlosen und beweislosen Annahme, daß ein

Der Autor dieses inhaltsreichen Bandes dürfte ein Luxemburger sein, der aber nicht nur in der deutschen und französischen, sondern auch in der flämischen und angelsächsischen Welt bewandert ist. Er hatte sich zur Aufgabe gesetzt, uns an Hand einer erklecklichen Anzahl von Kurzbiographien katholischer Priester und Laien aus den letzten 150 Jahren ein zusammenhängendes Bild zu bieten, das den Geist der echten Reformen der Gegenwart hintergründig erhellt. Wie wir hier sehen, ist das Zweite Vatikanische Konzil nicht von ungefähr gekommen, sondern war seelisch und geistig in der unmittelbaren Vergangenheit der Kirche verankert, wobei allerdings die Pioniere dieser Erneuerung freilich oft als unbequeme Kritiker und Querulanten in böse Bedrängnis geraten waren. (Auch Ignatius und St. Johannes vom Kreuz ' waren hinter Kerkermauern gesessen.) Nur zwei hier skizzierte Stürmer und Dränger, Lamennais und Döllinger, wurden exkommuniziert: alle anderen litten in der Stille — mutig, heilsgewiß und geduldig. Der Autor verrät uns sogleich in der Einleitung, daß es ihm gar nicht einfalle, einem „jüngsten Trend Vorschub zu leisten, der dem Revoluzzertum vor allem im Priesterkleide, eine kitschig wirkende Verehrung zollt." Und er setzt hinzu: „Imagebewußte, patentiert katholische Verlage, die schlechtes Gewissen wegen ihrer langjährigen ,Liason scandaleuse' mit dem kirchlichen Establishment haben, überschlagen sich, um Schriften oder Biographien von kirchlichen Rebellen herauszubringen." Was früher das bischöfliche Imprimatur war, ist zweifellos jetzt das Etikett des Progressismus.

Unser Autor versteht fesselnd zu schreiben und die Lebensabrisse, die er uns hier bietet, sind quicklebendig, instruktiv und stimmen uns oft nachdenklich. Vor allem will Conzemius dem Leser Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens näherbringen, die im deutschen Räume wenig bekannt sind. Wer von uns weiß auch etwas über den Benediktiner Lambert Beauduin, der im ersten Weltkrieg Kardinal Merciers rechte Hand gewesen war, dann aber die ökumenische Öffnung zur Ostkirche hin auf eigene Faust vorbereitete? Von Neidern und Feinden wurde er verdächtigt, dann in die Wüste geschickt, doch nach dem zweiten Weltkrieg, als dann auch der Vatikan sich seine Schau voll zu eigen gemacht hatte, in allen Würden und Ehren wieder eingesetzt.

Dieses Buch ist ein wahres Schatzkästlein und beweist den Außenstehenden, daß das Joch der Kirche zwar schwer zu tragen ist, aber (wie schon Keyserling uns andeutete) die Kirche Roms trotz all ihrer Fesseln immer wieder bedeutende Männer hervorbringt. Hier finden wir eine reiche Auswahl, beginnend mit Daniel O'Connel, Rosmini-Serbati, Montalembert, Acton (die letzten drei höchst liberal gesinnten Antide-mokraten), Bischof Marius Besson, Monsignore Ronald Knox, dem Jesuiten John La Farge, Josef Car-dijn (dem Gründer der JOC), Adolf Kolping, dem Abbe Couturier, P. Vincent Lebbe, Madeleine Debre (alle aus Frankreich wohlbekannt). Dann aber scheinen wieder Männer auf, die jeder für sich genommen werden müssen — Robert Schuman, Pfarrer Matthias Laros und Franz Jägerstätter, der mannhafte Bauer und Blutzeuge, der erst jetzt in Österreich zu Ehre und Ruhm kommt — keine Geistesgröße, aber doch ein vom Heiligen Geist begnadeter Streiter Christi, der anders als die meisten Zeitgenossen genau wußte, was Recht und was Unrecht war.

Das ist fast die ganze Galerie. Ausgezeichnete Bilder begleiten den Text, Bilder, die beinahe allein schon beweisen, was menschliche Qualität ist. Diesem Band wünscht der Rezensent eine große Verbreitung, nicht zuletzt aber in gläubigen evangelischen Kreisen, die sich teilnehmend für die andere große christliche Konfession interessieren, denn hier erkennt man nicht nur die „Last katholisch zu sein", sondern auch sehr deutlich die christliche Grundsubstanz Roms. „Die Paläste der Päpste reden die Sprache der Macht, doch die Katakomben unter ihnen führen die Sprache der Freiheit", sagte schon Rene Laboulaye. Hier sieht man das alles in wunderbarer Klarheit.

PROPHETEN UND VORLÄUFER.

(Wegbereiter des neuzeitlichen Katholizismus). Von Victor Conze-mius. Benziger Verlag: Zürich-Einsiedeln-Köln 1972, 323 Seiten, Bilder, Bibliographie, DM 29.80.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung