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Kein King-Kong, nur viele Zwerge

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Über das katholische Pressewesen, die periodischen katholischen Druckschriften in Österreich einen gewissen Überblick zu bekommen, ist nahezu unmöglich. Zu vielfältig ist das Angebot an Publikationen, die ein mehr oder weniger inniges Nahverhältnis zur Kirche haben, zu lückenhaft bisherige Untersuchungen auf diesem Gebiet.

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Über das katholische Pressewesen, die periodischen katholischen Druckschriften in Österreich einen gewissen Überblick zu bekommen, ist nahezu unmöglich. Zu vielfältig ist das Angebot an Publikationen, die ein mehr oder weniger inniges Nahverhältnis zur Kirche haben, zu lückenhaft bisherige Untersuchungen auf diesem Gebiet.

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Fest steht, daß die 197 verschiedenen Publikationen, die im Handbuch 1977 des Verbandes österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger („Österreichs Presse, Werbung, Graphik“) in der Gruppe „Religion, Religionsgemeinschaften, karitative Einrichtungen“ unter „katholisch“ eingestuft sind, nur einen Bruchteil der tatsächlichen Schriften- fiille ausmachen. Einesteils deswegen, weil insbesondere Pfarrblätter kaum erfaßt sind, anderseits weil manche Zeitungen und Zeitschriften, etwa die diözesanen Kirchenzeitungen, anderen Gruppen zugeordnet wurden. Von anderen Zeitungen, die nicht direkt von kirchlichen Stellen oder katholischen Vereinigungen herausgegeben werden, die aber - wie beispielsweise DIE FURCHE - ihre Nähe zur katholischen Kirche weder leugnen können noch wollen, ganz zu schweigen.

Trotzdem ist die Kirche keineswegs ein „Medien-King-Kong“, wie unlängst behauptet wurde, denn nicht nur die Unüberschaubarkeit aller kirchennahen Publikationen, auch das bewußte Abweichen von zentralistischem „Knopfdruck-Denken“ macht eine konzertierte Aktion, wie etwa das gleichzeitigeHochspieleneinesThemas in allen katholischen Medien, unmöglich. Daß es anscheinend trotzdem dazu kommen kann - siehe Fristenlösung! -, hat thematische Gründe, liegt aber kaum an einer up verhüllten Aufforderung von der Spitze der Hierarchie, daß plötzlich alle kirchennahen Medien mit möglichst gleichem Wortlaut das Sprachrohr des Episkopats zu spielen hätten. Im Gegenteil, gerade in dieser Frage wurde die Mündigkeit der einzelnen Christen, vor allem auch der Laien, spürbar, die - unabhängig von zentralistischer Lenkung - Eigeninitiativen setztpn und spontan eigene Argumente und Vorschläge zu propagieren begannen.

Nein, ein Mediengigant im Sinne einer auflagenstarken Tageszeitung - obwohl auch dort durchaus engagierte Katholiken mitarbeiten können - ist die Kirche wahrlich nicht. Vielmehr gibt es viele, viele Zwerge - so etwa vor allem Pfarrblätter oder Schriften für die Mitglieder katholischer Vereinigungen, die meist monatlich oder vierteljährlich erscheinen, eine eher geringe Auflage besitzen (alle zusammen allerdings eine Millionenauflage!), aber einen bestimmten Personenkreis ziemlich lückenlos erreichen.

Die große Chance der Kirche dürften neben den elektronischen Medien,

an denen bekanntlich heutzutage kaum noch jemand vorbeikommt und wo der Kirchenfunk erfreuliche Fortschritte macht, die Pfarrblätter sein. Dr. Maximilian Gottschlich, Lehrbeauftragter am Institut für Publizistik an der Universität Wien, der eine Dissertation über die österreichischen Pfarrblätter geschrieben hat und nun für das Wiener Katholische Zentrum für Massenkommunikation Schulungen für Pfarrblattgestalter durchführt, schätzt, daß es in Österreich etwa 1500 verschiedene Pfarrblätter gibt, darunter allerdings auch „Mischformen von Pfarrbrief, Vermeidungsblatt und Pfarrblatt im Sinne der Pfarrzeitung“.

Das Pfarrblatt, vermutlich in rund 50 Prozent aller österreichischen Pfarren üblich, ist deswegen neben den elektronischen Medien die Zukunftshoffnung Nummer 1 der Kirche, weil es praktisch jeden, auch den Fernstehenden, erreichen kann. In der Regel wird ein Pfarrblatt gratis jedem Haushalt des Pfarrgebietes zugestellt, meist durch freiwillige Austräger, natürlich sind dafür Spenden oder eine Bezah-

lung des Selbstkostenpreises erwünscht, weil es sich womöglich selbst finanzieren soll und Inserate gewöhnlich verpönt sind.

An der derzeitigen Praxis der Pfarr- blattgestaltung speziell in Wien übt Dr. Gottschlich massive Kritik. In der Bundeshauptstadt sind zahlreiche Pfarren in einem Pfarrblatt-Ring zusammengefaßt, der monatlich ein zwölf Seiten dickes Heft herausgibt. Der Inhalt ist für sämtliche Pfarren weitgehend gleich, nur wenige Seiten - darunter das Titelblatt - können von der jeweiligen Pfarre selbst gestaltet werden.

Für Gottschlich steht fest: „Am besten kann ein Lokalblatt, das unmittelbar am Pulsschlag der Bevölkerung ist, das Sinnangebot der Kirche tragen. Welcher Bedarf heute an einem Sinnangebot ist, zeigen die vielen Beratungsonkel in diversen Publikationen. Dieser Bedarf steigt in dem Maß, in dem Kommunikation unpersönlich wird, in dem die Verhältnisse undurchschaubarer werden.“

Gerade in Wien hat der Durchbruch der Bezirkszeitungen in den letzten Jahren den Bedarf an lokalen Informationen gezeigt. Natürlich soll - so Gottschlich - das religiöse Element in einem Pfarrblatt im Vordergrund stehen, ein Einbeziehen politischer oder gesellschaftlicher Fragen aus dem Lokalbereich, soweit hier Christliches und Humanes berührt ist, sollte aber nicht grundsätzlich ausgeklammert sein, könnte es doch vermutlich dem Pfarrblatt größere Attraktivität verleihen.

Zweifellos ist im katholischen Pressewesen noch vieles verbesserungsfa- hig. Das Ziel werden aber weiter viele eigenständige, von einem Knopfdruck von oben unabhängige Zwerge sein. Womöglich natürlich immer tüchtigere Zwerge.

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