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Produzenten moderner Mythen

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Zwei katholische Kommunikationsforscher werfen der Kirche vor, sie begehe den Fehler, in den Medien nur Instrumente zu sehen, die ihrer Verkündigung dienen könnten.

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Zwei katholische Kommunikationsforscher werfen der Kirche vor, sie begehe den Fehler, in den Medien nur Instrumente zu sehen, die ihrer Verkündigung dienen könnten.

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Auf zwei Veranstaltungen im Wiener „Club Stephansplatz 4" stand jüngst das Thema „Kirche und Medien" auf dem Programm, wofür es zwei aktuelle Anlässe gab: die neue römische Medieninstruktion „Aetatis novae" (FURCHE 13/1992) und den „Mediensonntag" am 31. Mai.

Am 6. Mai referierte für den Verband Katholischer Publizisten Österreichs der Salzburger Publizistik-Ordinarius Michael Schmolke über „Aetatis novae" und betonte, daß es sich - wie schon Erzbischof John Foley vom Päpstlichen Medienrat festgestellt hatte - nur um ein „Supplement" zur Instruktion „Communio et pro-gressio" (1971) handle. Der neue Text sei im Grunde nicht notwendig gewesen, es könnten aber von ihm in einzelnen Weltteilen Impulse ausgehen.

Schmolke hob hervor, wie sehr sich die Einstellung der Kirche zu den Medien gewandelt habe, seit Papst Gregor XVI. 1832 in der Enzyklika „Mirari vos" über die Presse gemeint hatte: „Dazu gehört auch jene höchst verderbliche, niemals genug verfluchte und verabscheuungswerte Pressefreiheit, alle beliebigen Schriften zu veröffentlichen, die eigene und fremde Lästerreden voranzutreiben wagen. Wir erschrecken zutiefst, ehrwürdige Brüder, wenn wir beobachten, mit welchen Scheusalen von Irrlehren, oder besser gesagt, mit welchen Zeichen von Wahnsinn wir überschwemmt werden."

Als wichtige Stationen auf dem Weg bis heute nannte Schmolke den Codex von 1917, eine Ansprache von Papst Pius XII. im Jahr 1950 über die Notwendigkeit der öffentlichen Meinung in der Kirche, das Konzilsdokument „Inter mirifica" und schließlich „Communio et progressio", das die Eigengesetzlichkeit der Medien, das Recht auf Information für jedermann und die öffentliche Meinung auch innerhalb der Kirche betonte.

Zu „Aetatis novae" merkte Schmolke kritisch an, hier würden die Medien wieder zu instrumentalistisch gesehen, als Mittel, die man „zur Heiligung der Welt" in den Dienst nehmen wolle. Mit den Worten „Die Medien im Dienst..." beginnen daher auch mehrere Kapitelüberschriften.

Tags darauf, am 7. Mai, fand am gleichen Ort eine von der Medienstelle der Erzdiözese Wien organisierte Diskussion zum Thema „Das Kreuz mit den Medien - Von den Schwierigkeiten öffentlicher Verkündigung und kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit" statt. Dort warnte auch Maximilian Gottschlich, Wiener Ordinarius für Kommunikationswissenschaften, davor, in den Medien „Instrumente der sozialen Kommunikation" zu sehen, sie seien vielmehr „Produzenten von Mythen" mit eigenen Gesetzen und eigener Dynamik. Verkündigung und Öffentlichkeitsarbeit seien „verschiedene Paar Schuhe". PR-Arbeit könne man mit Strategien machen, zur Verkündigung brauche es Authentizität.

„Standard"-Redakteur Josef Ertl bescheinigte zwar kirchlichen Pressestellen hervorragende professionelle Arbeit, sieht aber einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Kommunikation - sie funktioniere auf gleicher Ebene und sei mit Transparenz verbunden - und Hierarchie - sie agiere von oben nach unten und habe mit Geheimnis zu tun.

Für eine neue Sprache der Kirche trat der. Religionspädagogik-Ordinarius Wolfgang Langer ein: sie müßte die Humanität Jesu in den Vordergrund stellen und die Menschen neugierig auf die Anliegen der Kirche machen. Der Publizist Johannes Zopp wünscht sich, daß in der Kirche mehr das „Mahlhalten" als das „Maulhalten" propagiert wird. Die Journalistin Ingeborg Schödl erstrebt, daß mehr gläubige Katholiken in den „profanen" Medien tätig sind.

Gottschlich dagegen meinte (nicht ohne Widerspruch aus dem Publikum), positive Medienberichte über die Kirche hätten auf den Glaubensvollzug keine Auswirkung. Für ihn hat die Welt der Medien mit der der Religion wenig zu tun. Die Medien hätten als „Instrumente zur Flucht" eine „zentrifugale Wirkung", die Kirche führe zur Mitte, sei also „zentripetal" ausgerichtet. Der Mensch finde die Antwort auf seine letzten Fragen nicht in den Massenmedien.

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