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Keine Tricks mit dem Geld

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Für die Untätigkeit gegen Freisauftriebstendenzen gibt es zwei Ursachen: Entweder man bagatellisiert ihre Auswirkungen oder — was noch schlimmer ist — man hält die schleichende Geldentwertung für das reale Wachstum der Wirtschaft für notwendig.

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Für die Untätigkeit gegen Freisauftriebstendenzen gibt es zwei Ursachen: Entweder man bagatellisiert ihre Auswirkungen oder — was noch schlimmer ist — man hält die schleichende Geldentwertung für das reale Wachstum der Wirtschaft für notwendig.

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Die letztere Auffassung wird in Österreich in der derzeitigen sozialistischen Bundesregierung vertreten. Ihr Wortführer ist bekanntlich der Handelsminister. Überall in der Welt, sind es — wie in Österreich — vor allem die Notenbanken, die schon auf Grund ihrer rechtlichen Aufgabe gegen diesen weitverbreiteten Irrtum kämpfen.

Eine eben in der Bundesrepublik Deutschland erschienene Publikation*) — mit einem Vorwort des Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Dr. Karl Klasen, ausgestattet — ist deshalb auch für Österreich von Interesse. Mit der Behauptung, daß Inflation das Wachstum fördere, setzen sich darin unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen in den USA und in der BRD drei namhafte Autoren, Prof. Otto Pfleiderer, Präsident der Landeszentralbank von Baden-Württemberg, Prof. Herbert Giersch von der Universität Kiel und Leiter des bekannten Instituts für Weltwirtschaft, sowie Prof. Henry C. Wallich von der Yale University, New Haven, auseinander.

Sie alle kommen zum Ergebnis, daß der Geldwertschwund keine Basis für ein gesundes Wachstum ist (Klasen), daß die Inflation entgegen einem weitverbreitenten Irrtum (Giersch) das Wachstum hemmt und nicht fördert (Wallich), daß sich Wirtschaftswachstum und Geld- wertstabilität nicht ausschließen (Pfleiderer).

Ausgehend von der Tatsache, daß Investitionen das Wachstum för dern, wird behauptet, daß durch inflationäre Finanzierung über zusätzliche Investitionen erhöhtes Wachstum zu erzielen wäre. Dem liegt der Gedanke des Zwangssparens zugrunde. Alle Investitionen, die das Angebot erweitern und verbessern, beruhen auf einem Verzicht auf an sich möglichem Konsum. Dieser Verzicht kann freiwillig, durch Sparen im herkömmlichen Sinn, durch überhöhte Steuern, mit denen der Staat Investitionen finanziert, oder durch überhöhte Preise, die die Gewinne der Unternehmen aufblähen und ihre Selbstflnanzierungs- möglichkeit erweitern, zustande kommen.

Sofern überhaupt ein wachstumspolitischer Effekt der Inflation denkbar ist, wirkt er, was Giersch betont, vor allem über die Vermögensbildung bei den Unternehmen und widerspräche dem Ziel einer breiten Vermögensstreuung. Es sei deshalb um so erstaunlicher, daß gerade arbeiterfreundliche Regierungen, von denen man annehmen möchte, daß sie die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand fördern, sich unentschlossen zeigen, wenn es gilt, im Kampf um die Geldwerbstabilität harte unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen.

Die Erfahrung lehrt, daß eine Wachstumsförderung durch inflatorisches Zwangssparen nur zu Beginn des Inflationsprozesses möglich ist, solange die Preise steigen, die Bevölkerung aber noch nicht mit den Preissteigerungen rechnet, das heißt wenn das Zinsniveau und die Lohnsteigerungsraten die tatsächliche Inflationsrate nicht voll enthalten. In einer aufgeklärten Gesellschaft wäre die Geldillusion nur eine begrenzte Zeit möglich, die Theorie dieses Prozesses aber stamme aus einer Zeit, bevor die Gewerkschaften ihre gegenwärtige Machtposition hatten, lange bevor das Gefühl, sich gegen die Inflation schützen zu müssen, Allgemeingut geworden 1st (Wallich). Soweit das Wirtschaftswachstum durch inflatorisches Zwangssparen unter Umständen einmal gefördert sein sollte, gehe dies durch die Gewinnkompression Im Stabilisierungsprozeß wieder verloren.

Auch die These, die Inflation müsse durch erhöhte Produktion bekämpft werden, sei ein „sympathischer Trugschluß“, den man besonders oft während einer Nachfrageinflation höre, in der „zu viel Geld hinter zu wenig Ware herläuft“. Eine Kreditexpansion könnte zwar geeignet sein, das Angebot zu erhöhen, aber die Nachfrage erhöhe sich noch mehr: das Resultat ist verstärkte Inflation. Gerade die Ereignisse der letzten Jahre in den USA hätten die meisten Behauptungen über die wachstumsfördemde Kraft der Inflation widerlegt (Wallich).

Geradezu auf die derzeitigen österreichischen Verhältnisse gemünzt erscheint die Feststellung von Prof. Giersch, der im letzten Turnus auch dem deutschen Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung angehört hat, daß man das Problem der langfristigen Erhaltung unseres Geldwertes nicht lösen kann, wenn man Popularitätsgesichtspunkten den Vorrang gewährt und nur im Hinblick auf kurzfristige Erfolge agiert oder reagiert. Es käme deshalb vor allem auf die Hochkonjunktur an, daß die zuständigen Politiker wahltaktische Gesichtspunkte hintanstellen und staatsmännische Härte an den Tag legen. Und Präsident Klasen meint sehr treffend, daß es vom Fleiß und von der Arbeit der Gegenwart abhängt, wie wir morgen leben: „Wohlstand läßt sich nicht durch Tricks erreichen, schon gar, nicht durch Geldwertschwund.“

Auch die Erfahrungen, die die österreichische Wirtschaftspolitik in der Vergangenheit gemacht hat, bestätigen, daß gerade bei einem relativ stabilen Preisniveau die besten Wachstumsraten zu erzielen sind.

* Wirtschaftswachstum durch Geldwertschwund? Beiträge von Henry C. Wallich, Herbert Giersch, Otto Pfleiderer, Verlagsgesellschaft Recht und Wirtschaft m. b. H., Heidelberg, 1971.

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