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Leidiges Konkordat

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Während Marschall Tito Rom einen offiziellen Besuch abstattete, um einer langjährigen engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit durch seine Präsenz die Krone aufzusetzen und die Scharte seiner plötzlich abgesagten Reise vom 10. Dezember auszuwetzen, schickt sich das italienische Parlament auf dem Monte- citorio an, die Frage einer Abänderung des 1929 zwischen Italien und Pius XI. abgeschlossenen Konkordats zu prüfen. Sechs der neun über das ganze Land verbreiteten Parteien reichten der Kammer ihre Vorschläge zur Konkord tsrevision ein.

Diese Frage zu lösen, ist allerdings nicht einfach. Es genügt nicht, daß das italienische Parlament mit Mehrheit eine Abänderung der Konkordatsbestimmungen beschließt. Denn das Konkordat ist ein völkerrechtlicher Vertrag und kann nicht durch den Beschluß des Parlaments abgeändert werden. Dazu ist die Zustimmung des Partners, in diesem Falle des Vatikans, notwendig. Welcher Revision des Konkordates der Vatikan zustimmen würde, ist allerdings nach wie vor fraglich.

Die Linkssozialisten befürchten, daß sie und das Parlament durch geheime Verhandlungen zwischen Außenminister Moro und dem Vatikan früher oder später vor ein Fait accompli gestellt werden. Durch die Debatte auf Montecitorio soll der Spielraum dessen, was nach dem Ausscheiden des republikanischen Justizministers Reale der christlichdemokratische Außenminister und ebenfalls christlich-demokratische Ministerpräsident und Ad-interim- Justizminister Colombo mit dem Heiligen Stuhl verbindlich vereinbaren können, durch institutioneile Vorkehrungen sehr eingeengt werden. Man denkt in diesem Zusammenhang an die Bildung einer Sonderkommission, der die mit den Verhandlungen im Vatikan beauftragten Minister regelmäßig Bericht erstatten müßten.

Nach Ansicht der Sozialdemokraten soll es bei der parlamentarischen Debatte und anschließenden Tuchfühlung mit dem Vatikan hauptsächlich um die Schaffung klaren Rechtes gehen. Wo das Konkordat Bestimmungen enthält, die mit der italienischen Verfassung im Widerspruch stehen, müssen jene der Verfassung zuwiderlaufenden Normen abgeschafft werden.

Mit der bloßen Aufhebung einiger besonders drastischer Bestimmun-

gen des Konkordates begnügen sich die sogenannten Sozialproletarier, diese nach links abgefallenen Linkssozialisten, am allerwenigsten. Auf der Suche nach einem eigenen Standort im Wirrwarr der italienischen Linksparteien ist der Linksflügel dieser linksextremen Partei immer mehr der Hort von Maoisten, Anarchisten und Leninisten der nicht mehr moskauhörigen Richtung, während sein Rechtsflügel mit der sozialistischen Mutterpartei liebäugelt.

Lahme Kommunisten

Seit Jahren sind nämlich die Kommunisten sehr bedacht, es sich mit dem Vatikan nicht zu verderben, vielleicht sogar im Heiligen Stuhl den einflußreichen Fürsprecher bei der mächtigen Democracia Cristiana zu finden, die bekanntlich, sobald sie geschlossen auftritt, seit Kriegsende das gute und schlechte Wetter der italienischen Politik macht, 24 Jahre lang den Ministerpräsidenten von 35 Regierungen stellte und als einzige Partei die Aufnahme der Kommunisten in die Regierung bewerkstelligen könnte. Nllde Jotti, di« Le bensgefährtin Togliattis, bezeichnete in einem vielbeachteten Aufsatz für die Hauszeitschrift der KPI, „Rinas- cita“, eine allzu drastische Konkordatsrevision, gar dessen Abschaffung, als „gefährlich für das Land und unzweckmäßig für die eigene Partei“. Sie würde auf eine Kriegserklärung des italienischen Staates an den Vatikan hinauslaufen, was in einem Lande wie Italien mit einer fast ausschließlich katholischen Bevölkerung ein Ding der Unmöglichkeit sei.

Und jetzt erinnert man daran, daß 1921, bei der Gründung der Kommunistischen Partei Italiens — sie löste sich damals von der sozialistischen Mutterpartei —, Lenin in seinem Glückwunschtelegramm an Gramsci den Antiklerikalismus verdammte, während er — praktisch — in seinem neuen Zarenreich die Religion als staatliche Angelegenheit, ja Parteisache behandelte. In der dritten Intemationaen wurde der Antiklerikalismus einmal mehr gebrandmarkt, während die Katholiken in der „schweigenden“ Kirche hinter dem Eisernen Vorhang verwaiste Bistümer und Pfarreien vorfinden.

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