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Nach Aussöhnung kommt die Heirat
Ein grüner Denker aus Berlin ruft in Wien zur Muß-Ehe zwischen Ökologie und Ökononnie auf. Überraschend: sein Bekenntnis ZU Industriegesellschaft und Technik.
Ein grüner Denker aus Berlin ruft in Wien zur Muß-Ehe zwischen Ökologie und Ökononnie auf. Überraschend: sein Bekenntnis ZU Industriegesellschaft und Technik.
Auf der einen Seite stehen Wirtschafts- und Gewerkschaftsfunktionäre, für die — sieht man von papierenen Bekenntnissen ab — die Umweltschützer „Spinner" sind, die mit ihrem Geschrei den Fortschritt hemmen und damit eigentlich nur Arbeitsplätze gefährden.
Auf der anderen Seite finden sich grün-alternative Bewegungen, die gegen Industriegesellschaft, Marktwirtschaft und technischen Fortschritt Sturm laufen und von einer Gegenwirtschaft, einer alternativen Ökonomie träumen.
Aufeinander geht man zumeist mit Holzhammer-Argumenten los, unversöhnlich noch dazu, obwohl das Schlagwort von der Aussöhnung der Ökonomie mit der Ökologie allerorten hochgehalten wird. Warum? Man diskutiert gegeneinander, man spricht nicht miteinander.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Und eine solche Ausnahme war die vom Wirtschaftsbund der ÖVP gemeinsam mit Erhard Bu-seks „Club pro Wien" am 10. und 11. März in Wien veranstaltete Enquete „Wirtschaft und Umwelt — Versuch einer Versöhnung".
Aus der Sicht der Veranstalter mag es vielleicht ein Risiko gewesen sein, zu dieser Tagung Joseph Huber aus Berlin einzuladen. Huber, Dozent für Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin, ist nicht nur Vor- und Mitdenker, sondern auch wohlwollender Insider der grün-alternativen Szene Deutschlands.
Doch wer eine Verteufelung der modernen Industriegesellschaft erwartet hatte, wurde angenehm überrascht. Huber: „Es gibt keine Alternative zur Industriegesellschaft, wohl aber gibt es alternative Entwicklungswege der Industriegesellschaft."
Allerdings könne die Industriegesellschaft nur dann eine Zukunft haben, wenn sie sich ökologisch anpaßt, „und die Ökologie kann nicht an der Industrie vorbei ins Leben treten, sondern nur in industriellen Formen" (Huber).
JBei einer Aussöhnung zwischen Wirtschaft und Umwelt will es der Berliner Politologe nicht belassen: „Man kann sagen, daß Ökologie und Industrie eine Verbindung eingehen müssen — eine Jahrhundertheirat."
Wie sich Huber diese Ehe vorstellt, unterscheidet sich ganz deutlich von grün-romantischen Träumen, wie sie sonst häufig anzutreffen sind.
Er setzt auf neue Technologien, den technischen Fortschritt: „Die intelligentere Zukunft hängt von der Erfindungskraft der Techniker ab."
Wer meint, daß in einer florierenden Wirtschaft die Schornsteine rauchen müssen, habe die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Seine Wunschfabriken des technischen Fortschritts rauchen nicht mehr: sie produzieren „sauberes Wachstum".
Grundlage dafür böten die sogenannten neuen Technologien, voran die Mikroelektronik und Lasertechnik, aber auch die Biotechnologie und die Biomasseverarbeitung.
Dabei würden, so Huber, unternehmerisches Wirtschaften und ökologisches Haushalten ideal miteinander verbunden.
Das ist ökologisch wünschenswert. Und politisch?
„Die Solartechnik, etwa in Gestalt von Sonnenfarmen, oder die Biomasse, etwa in Gestalt der brasilianischen Zuckerrohrmonokulturen, können auch harte und zentralistische Großtechnologien sein", weist Huber auf denkbare Konsequenzen hin, „wie auch der biotechnisch aus Nutzpflanzen gewonnene Treibstoff den Hungernden als Nährstoff fehlen kann.“
Und weiter: „Jedes Stück Mikroelektronik kann auch ein Stück Uberwachungsstaat bedeuten. Ebenso bedeutet vorläufig noch jedes Stück Mikroelektronik, welches einen Arbeitsplatz schafft, fünf bis sieben verlorene Arbeitsplätze. Antworten auf ökologische Fragen beantworten nicht auch schon soziale Fragen. Es fehlt die begleitende Diskussi-on.
Diese nüchterne Feststellung müßte herausfordern: allen voran die Gewerkschafter.
Wohl stimmt die Rechnung, daß schon bisher durch den Umweltschutz Arbeitsplätze geschaffen werden (siehe untenstehenden Beitrag), doch sind manche Gleichungen Huber gar zu simpel.
Erstens, rechnet er vor, hätten zwar die Umweltschutzinvestitionen im letzten Jahrzehnt um bis zu 300 Prozent zugenommen, die Beschäftigung sei jedoch nur um 50 Prozent gewachsen. Kurz: „Der Umweltschutz ist sehr kapitalintensiv." Was jene bedenken mögen, denen Kapital ein Greuel ist.
Zweitens sei zwar die positive Beschäftigungswirkung der sich heranbildenden Umweltschutzindustrie (Maschinen- und Apparatebau, Filter- und Kläranlagen, Elektrotechnikindustrie, Bauwirtschaft, Beratungsgewerbe) unbestritten, arbeitsmarktpolitisch profitieren davon aber nur zwei bis drei Prozent der Erwerbstätigen mit überdurchschnittlichem Qualifikationsniveau — also eine Gruppe, die „ohnehin relativ unproblematisch" (Huber) ist.
Trotzdem: Was unökologisch ist, ist unwirtschaftlich. Bis das freilich im "Wirtschaftsdenken Platz greift, wird es noch dauern. Und das kostet. Hubers Faustregel dafür: „Die Kosten nicht verhinderter Umweltschäden sind mehr als doppelt so hoch wie die Umweltschutzkosten."
Umweltschutz zum Nulltarif kann es allerdings nicht geben.
In wohltuendem Kontrast zu all jenen, die einen Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie behaupten, aber keine Lösungen anzubieten haben, hat der unkonventionelle Politologe aus Berlin konstruktive Kritik geübt. Der Mut der Veranstalter hat sich gelohnt: Es war einer der wenigen ernst zu nehmenden Versöhnungsversuche von Ökologie und Ökonomie hierzulande.
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