Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Nonstop-Nonsense: E = m x c2
Der Autor ist stellvertretender Institutsleiter und Ingenieurkonsulent für technische Physik
Der Autor ist stellvertretender Institutsleiter und Ingenieurkonsulent für technische Physik
Viele werden sich fragen, was diese unverständliche Formel hier verloren hat. Es handelt sich um die berühmte Formel der Gleichwertigkeit von Energie und Materie. Die moderne Physik versteht Materie als „gebündelte" Energie - heute technisch verwertet in den zu Recht heiß umstrittenen Kernkraftwerken.
Zwanzig Jahre vor der Jahrtausend wende fordern Vertreter der Wirtschaft und der Politik weiterhin materielles Wachstum als unabdingbare Grundlage unseres Wohlstandes. Sie unterstellen dabei, daß damit auch das Wohlbefinden steigt. Broschüren weisen auf den notwendigen Ausbau der Kernenergie hin und beruhigen -physikalisch zutreffend -daß die hochaktiven Abfälle „nur" über etwa tausend Jahre sicher gelagert werden müßten, dann wären sie so harmlos wie natürliches Uran.
Na also - lächerliche tausend Jahre! Was geht mich das heute an?
Als Physiker habe ich anläßlich der „unabdingbaren" Wachstumsforderungen eine physikalische Milchmädchenrechnung angestellt:
Wenn man die Steigerung des jährlichen Weltenergieverbrauches von 1940 bis heute mit etwa 5% pro Jahr (OECD-Bericht) als unabdingbar über den Zeitraum der lächerlichen tausend Jahre fortsetzte, würde im Jahre 2894 die „Super-Kernenergie" aller Atome der gesamten Erdmasse - mit allen Kontinenten, Meeren, dem ganzen glühenden Erdinneren - nicht ausreichen, um den Weltenergiebedarf dieses einzigen Jahres zu dek-ken. Die ganze Erde wäre in
Energie zerstrahlt, nicht ein Stäubchen bliebe übrig - und es wäre zuwenig.
Eine absurde Rechnung -ein absurdes Ergebnis!
Ein Freund wies in einem Gespräch darauf hin, daß auch in der Natur das materielle Wachstum begrenzt wäre, seine Tochter würde ja auch keine zehn Meter groß, obwohl sie zur Zeit sehr rasch wächst. Das Sprichwort von den Bäumen, „die nicht in den Himmel wachsen", bestätigt diese alte Erfahrungstatsache.
In einer anderen Diskussion wendete ein Kritiker meiner Überschlagsrechnung ein, daß sich ja die Umstände, die Randbedingungen ändern würden. Leider ist diese Rechnung unabhängig von den Randbedingungen.
Ist das alles Miesmacherei? Schwarzmalerei? Zweckpessimismus?
Nein. Es bleibt nur die nüchterne Feststellung der einfachen Tatsache, daß alles Materielle begrenzt ist, auch wenn man es - physikalisch gleichwertig - Energie nennt.
Eine ebenso nüchterne Tatsache ist es, daß wir uns als menschliche Wesen mit keiner Grenze zufrieden geben können und dürfen, daß wir daher unbegrenztes Wachstum wesensmäßig brauchen. Weil es im Materiellen prinzipiell nie erfüllt werden kann, wären Frustrationen unvermeidlich. Unser Konzept des unbegrenzten materiellen Wachstums ist zwangsläufig ein Nonsen-se-Konzept. Im wahrsten Sinne des Wortes: Nonstop-Nonsense!
Es gibt für mich nur eine Alternative zur bedrohlichen Situation unserer Gegenwart. Nicht Glaube, sondern Einsicht in die Daten unseres materiellen Wachstumskonzeptes zwingt mich dazu: unbegrenztes Wachstum ist nur möglich im Immateriellen, ist nur sinnvoll im Geist und in der Liebe.
Und aus der Glaubenserfahrung sage ich voll Freude: Unbegrenztes Wachstum im Geist und in der Liebe Christi!
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!