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Nur noch vier Dörfer

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Die Truppenentflechtung ist praktisch perfekt. Henry Kissinger hat das Unwahrscheinliche möglich gemacht und durch kluge Einschätzung der Syrer und Israelis — trotz (oder gerade wegen?) der Attentate und Gegensahläge — eine vorläufige Befriedung erreicht. Freilich, damit sind die Golanhöhen auch weiterhin ein Niemandsland zwischen Feinden.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es einige Versuche, Juden hier seßhaft zu machen. Der damalige Pariser Rothschild kaufte 70 Quadratkilometer dieses Gebietes, um dort Juden aus Osteuropa anzusiedeln. Doch dieser Versuch scheiterte daran, daß die wenigen Familien, die dazu bereit waren, kaum eine Existenzmöglichkeit finden konnten und später, 1897, vom türkischen Statthalter des Landes verwiesen wurden.

Nach dem Befreiungskrieg von 1948 und der Gründung des Staates Israel verwandelten die Syrer dieses Gebiet in eine Militärzone und bauten es zu einem Bollwerk gegen Israel aus. Die Tatsache, daß das israelische Hula-Tal direkt unterhalb der Golanhöhen liegt, bewirkte, daß die jüdischen Siedlungen im nördlichen Galiläa mit großer Leichtigkeit beschossen werden konnten. Wann immer es zu internen Schwierigkeiten in Syrien selbst kam, wirkten sich diese durch Beschuß der jüdischen Siedlungen aus.

Im Jahre 1964, als Israel seinen großangelegten Bewässerungsplan des Nagev durchführte, beschlossen die Syrer, die Quellen des Jordan, die den Tiberias-See speisen, von ihrem Ursprung abzuleiten, um dadurch Israel seines Wasserreservoirs zu berauben. Der Plan scheiterte daran, daß die arabischen Staaten nicht bereit waren, Syrien die angeforderte finanzielle Unterstützung zu gewähren, und daß die Sowjetunion nicht daran interessiert war, von russischen Firmen und Technikern einen solchen Plan ausarbeiten zu lassen.

Während des 6-Tage-Krieges von 1967 forderte eine Delegation der Siedler Nordisraels von der damaligen Regierung die Eroberung der Golanhöhen, um endlich in Ruhe leben zu können. Nach langen Überlegungen beschloß die Regierung, dieser Forderung nachzukommen, und das Plateau wurde in einem verlustreichen Kampf erobert

Von den 70.000 Einwohnern dieser Region verließen 60.000 ihre Wohnstätten und zogen sich mit dem syrischen Militär zurück. Nur 10.000 Drusen, die in 4 Dörfern laben, blieben zurück. Die drusische Minderheit fühlt sich nämlich in Syrien, trotz ihrer Scheinautonomie, unterdrückt

Obwohl der Großteil der syrischen Bevölkerung auf dem Golan von Landwirtschaft und Hilfsdiensten für die Armee gelebt hatte, war ihr Lebensstandard mehr als primitiv geblieben. Offiziell wurde eine israelische Militärverwaltung eingesetzt, doch die drusische Minderheit, die zu den 40.000 Drusen Israels enge Familienbeziehungen hat, verlangte wiederholt die Einverleibung dieser Region in den Staat Israel.

Ursprünglich sollten die Golanhöhen nur als israelische Militärzone dienen. Doch einige hundert junge Siedler, die von der Religiösnationalen Partei und von rechtsgerichteten Teilen der Arbeiterpartei unterstützt wurden, gründeten ahne Erlaubnis der Regierung, doch mit ihrer Duldung, einige Kibbuzim auf dem Plateau. Zuerst siedelten sie sich in leerstehenden Häusern der Stadt Kuneitra und in leerstehenden Baracken ehemaliger syrischer Militärlager an. Erst Monate später wurde ein Plan zur jüdischen Besiedlung der Golanhöhen ausgearbeitet Die Regierung baute Militärstraßen, verteilte Boden an die bereits bestehenden Kibbuzim und gründete weitere Dörfer. Heute gibt es auf den Golanhöhen 15 israelische Siedlungen mit 1200 Einwohnern. Da die Möglichkeiten der Landwirtschaft sehr begrenzt sind, könnten sich höchstens weitere 1000 Personen in landwirtschaftlichen Siedlungen hier niederlassen. Ein größeres Siedlungsprojekt wäre nur im Zusammenhang mit der Gründung einer Industriestadt durchführbar. Hiezu fehlten jedoch bisher die nötigen finanziellen Mittel und auch die Menschen, die bereit wären, sich hier anzusiedeln.

Syrien hat sich bisher nicht mit dem Verlust der Golanhöhen abgefunden. Der Versuch, sie im Oktoberkrieg zurückzuerobern, schlug fehl, obwohl in den ersten beiden Tagen des Krieges ein Großteil des Plateaus von syrischen Truppen besetzt war. Nun ist Syrien zum erstenmal bereit, die Israelis als Verhandlungspartner zu akzeptieren und eventuell sogar Frieden zu schließen, wenn der Judenstaat die Golanhöhen teilweise zurückgibt und den „Palästinensern ihre Rechte einräumt“. Was damit gemeint ist, blieb bis jetzt unklar, da ein Großteil der Freischärlerorganisationen auch heute noch einen palästinensischen Staat propagiert, in dem das ganze israelische Territorium inbegriffen wäre. Das Mißtrauen der Israelis in den Friedenswillen der Syrer ist die Hauptursache dafür, daß Israel die Golanhöhen nicht endgültig herausgeben will. Hiezu kommt, daß jede neue Siedlung auf dem Plateau die These der israelischen Chauvinisten verstärkt, daß man auf die Golanhöhen niemals verzichten dürfe. Erst nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrages wäre die heutige Regierung Israels bereit, einen Großteil der Golanhöhen zu räumen.

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