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Ordnung kontra Demokratie

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Die Welt glaubte, Abschied genommen zu haben vom Kommunismus stalinistischer Prägung und vom Kalten Krieg. Der Wunsch nach Sicherheit und Frieden war so groß, daß er für die Wirklichkeit gehalten wurde. Und in der Tat, mit Gorbatschow als Sowjet-Präsidenten ließ sich nicht nur gut „Business machen" (so seinerzeit Margret Thatcher), sondern auch gut leben.

Wieder einmal wurde unterschätzt, daß jede Außenpolitik auch eine innenpolitische Komponente hat; ja nicht nur das, sondern wesentlich von Innenpolitik mitbestimmt wird. Und die sowjetische Innenpolitik der vergangenen sechs Jahre konnte nicht Schritt halten mit den „demokratischen" Öffnungen nach außen.

Die Demokratie, die Gorbatschow überwiegend autoritär, aber auch hierin nicht konsequent, den Sowjet-Bürgern wie „die Luft zum Atmen" geben wollte, war nicht genug, weil sich der Lebensstandard dadurch auch nicht verbesserte. Da konnte dann ein Genna-di Janajew schon vor Monaten kontern, daß eigentlich Ordnung für die UdSSR heute so wichtig sei, wie „die Luft zum Atmen".

Weder in der Schaffung demokratischer Strukturen noch im Versuch, diese quasi-diktatorisch der Sowjetunion aufzuerlegen, hatte Gorbatschow Erfolg. Dabei wurde er sowohl von den altkommunistischen Kritikern, denen der drohende Reichs-Zerfall den Angstschweiß auf die Stirn trieb, als auch von den für ein rascheres Umgestalten der Planwirtschaft Protestierenden buchstäblich zerrieben. Gorbatschow konnte sich weder auf demokratische Strukturen verlassen, die hatte er als Garant der Demokratie offenbar für nicht nötig empfunden - oder konnte sie als im Kern dem Leninismus verpflichteter Politiker auch gar nicht zulassen, noch trug ihn die Alte Garde, die in ihm nur den Verräter sah.

Jetzt kommt die alte Ordnung wieder zum Zug. Beobachter im Westen - wie Wolfgang Leonhard oder Michael Vos-lensky - setzen auf Boris Jelzin. Doch der hat ebenso wie Gorbatschow keinen demokratischen Background.

Der Umsturz ist anders gekommen als dies der Sowjetexperte Ernest Mandel angenommen hat, der auf das Sozialrevolutionäre Potential der russischen Massen setzte, die offenbar von Gorbatschows Experimenten schon genug haben. Es darf bezweifelt werden, ob es diesen Aufstand in der mehrfach gespaltenen Sowjetgesellschaft geben -und vor allem, ob er Erfolg haben wird gegenüber einer Machtriege, die genau weiß, was sie will, und die Machtmittel zur Durchsetzung ihres Willens zur Verfügung hat.

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