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Quantensprung beim Museumsquartier

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Vor der Abstimmung im Wiener Gemeinderat über das Museumsquartier am 22. Jänner zeigt sich Dieter Bogner, der Geschäftsführer der Museumsquartier Errichtungsgesellschaft, optimistisch: „Es wird eine Mehrheit für den Flächenwidmungsplan geben.”

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Vor der Abstimmung im Wiener Gemeinderat über das Museumsquartier am 22. Jänner zeigt sich Dieter Bogner, der Geschäftsführer der Museumsquartier Errichtungsgesellschaft, optimistisch: „Es wird eine Mehrheit für den Flächenwidmungsplan geben.”

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Damit werde die Entscheidung gefallen sein, daß das überarbeitete Projekt Ortner gebaut werden darf: der niedrigere Leseturm, die verkleinerte Ausstellungshalle (samt Veranstaltungsraum), die zurückgesetzte Fassade. „Das Projekt hat also an Luft gewonnen.” Diese als „Quantensprung” bezeichnete Entscheidung wird eine vorläufige Beruhigung der erregten Diskussion mit sich bringen.

Kein Ende der Diskussion um den Stellenwert der modernen Architektur dürfte es nach Ansicht des zuständigen Gemeinderats der Grünen, Günter Kenesei, geben. Die Zustimmung zur Errichtung des Museums für moderne Kunst in abgeänderter Form sei einerseits als Signal zu verstehen, daß zeitgenössische Architektur nicht nur am Stadtrand stattfinden dürfe, andererseits entbinde die Errichtung eines Milliardenprojekts im Stadtzentrum die Verantwortlichen nicht von der Verpflichtung, der „kulturellen Wüste” jenseits der Donau zu begegnen. Für die Grünen sei es aber auch klar, daß kommerzielle Betriebe im Leseturm nichts zu suchen hätten. Der Leseturm sei widmungsgemäß zu verwenden.

Dieter Bogner kann alle Zweifel in diesem Zusammenhang zerstreuen. Abgesehen von einem Cafe wird der Leseturm ausschließlich für eine Freihandbibliothek genützt, die rund 250 Sitzplätze haben und möglichst besucherfreundlich geöffnet sein wird -also vom späteren Vormittag bis in den Abend. Die Freihandbibliothek soll ohne bürokratischen Aufwand zugänglich und stets auf neuestem Stand sein.

Veranstaltungsraum getrennt

Die Kataloge und Bücher werden in zwei bis drei Jahren durch neuen Bestand ersetzt. Alte Kataloge werden, falls nicht übermäßig beschädigt, versteigert. Da rare Kataloge bekanntlich im Laufe der Zeit im Preis steigen, könnte sich - so Bogners Überlegung- die Bibliothek zum Teil selbst finanzieren. Außerdem plant Bogner elektronische Informationsvermittlung mittels Bildplatten und CD-Rom, wodurch auch internationales Kulturgeschehen stärker verfügbar würde.

Das an sich einsichtig erscheinende Konzept, das auch der Sammlung Leopold endlich eine Heimstatt bietet, wird nicht von allen Parteien mit Wohlwollen aufgenommen. Entgegen allen anderen Meldungen sieht es eine Trennung zwischen Veranstaltungsraum (für 700 bis 800 Personen, vorwiegend für Festwochenproduktionen) und Ausstellungsfläche (von 3.500 auf 2.900 Quadratmeter reduziert) vor. Selbst für die „massiv der Schere zum Opfer gefallene Variante” (Kenesei) mit geschrumpftem Leseturm können sich viele Gemeinderäte zumindest offiziell nicht erwarmen.

Während sich FPÖ- und ÖVP-Ge-meinderäte in den Ausschüssen für die Errichtung des Museumsquartiers ausgesprochen hätten, konnten sie ihre Meinung außerhalb dieser Sitzungen nicht durchhalten. Manche sollen, so berichten politische Kontrahenten, gedroht haben, notfalls den Klubzwang zu durchbrechen.

Für Dieter Bogner trotzdem Anlaß zu Optimismus: Das überarbeitete Konzept kann die Wünsche der Stadt Wien erfüllen. Passiert der Flächenwidmungsplan den Gemeinderat, ist die größte Hürde genommen. Jede weitere Detailplanung wird nicht mehr von politischen Gremien zu bewerten sein.

Dann wird man sich auch nicht mehr mit der unseligen Diskussion aufhalten müssen, ob die 2,5 Milliarden für das „Prestigeprojekt am falschen Ort”, so FP-Klubobmann Rainer Pawkowicz, nicht vorrangig zur Bekämpfung der Wohnungsnot verwendet werden sollten. Dann wird sich auch der ununterbrochene Ruf von Wiens VP-Chef Bernhard Görg nach Expertenrunden aufhören. Nicht nur einmal war launig aus dem Munde Bruno Kreiskys zu hören, daß es bloß das entscheidende Geschick des Politikers sei, die gewünschte Entscheidung einer Expertenrunde zu erhalten.

Verstummen werden die kritischen Stimmen wohl nie. Und daß alles ganz anders hätte gebaut werden können, ist eine Binsenweisheit. Un-' bestreitbar jedoch ist der katastrophale Zustand mancher Museen, die ungenügende Möglichkeit, wechselnde Bestände aus den Depots zu zeigen und die vorzügliche Lage des Museumsquartiers.

Wer sich erinnert, wie sehr der Grüne Herbert Fux gegen den Leseturm war und wie stolz heute die Grünen sind, schon seit einem Jahr für das Ortner-Projekt zu sein, wie oft die ÖVP ihre Position geändert hat, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren: solcher Umschwung der Gesinnung kann nicht nur rationale Gründe haben. Wer Wien kennt, weiß, auch die Geschichte dieser Hintergründe wird einmal geschrieben. Und zwar unabhängig davon, ob das Projekt von der Bevölkerung angenommen worden ist oder nicht.

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