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Rotes, schickes Kasperltheater

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Wo die Kommunisten noch nicht an der Macht sind, werden h. l. Kaster 10 sie nicht müde zu behaupten, daß der politischen Reaktion — Was kommt nach Athenagoras? und dafür gilt ihnen alles vom Rechtsradikalismus bis weit in die Sozialdemokratie hinein —, daß der politischen Reaktion also stand der Gesellschaft in Bilder einer (nicht existenten) heilen Welt umfälsche.

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Wo die Kommunisten noch nicht an der Macht sind, werden h. l. Kaster 10 sie nicht müde zu behaupten, daß der politischen Reaktion — Was kommt nach Athenagoras? und dafür gilt ihnen alles vom Rechtsradikalismus bis weit in die Sozialdemokratie hinein —, daß der politischen Reaktion also stand der Gesellschaft in Bilder einer (nicht existenten) heilen Welt umfälsche.

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Und diese Kommunisten, Mao-isten, Linksfaschisten jeder Spielart wie auch die linken Flügelstürmer sozialdemokratischer Parteien propagieren, fördern und reproduzieren selber solche Kunst, die, vielfach unter der Tarnbezeichnung des Avantgardismus, destruktiv und nihilistisch ist, und dies nicht nur in bezug auf das von ihr entworfene Welt- und Menschenbild, sondern auch bezüglich ihrer selbst. Denn mit einer Kunst, die sich selber total in Frage stellt, sich selber auflöst, sich selber außer Kraft setzt: mit solcher Kunst stellt ja die Gesellschaft sich selber in Frage, mit solcher Kunst forciert sie ihre eigene Auflösung, setzt sie ihre eigene Wertordnung außer Kraft. Und schafft natürlich ein Vakuum.

Die eminent politische Funktion des künstlerischen Modernismus wird im Westen kaum erkannt, obwohl die heute volksdemokratischen Staaten einen unbezweifelbaren Anschauungsunterricht geboten haben; insbesondere jene wie etwa Ungarn, wo die kommunistische Diktatur nicht sofort mit der russischen Besetzung, sondern erst auf dem mehrjährigen Umweg über die soziale Nivellierung, über die Einschmel-zung konkurrierender Parteien, über eine Art Volksfront also, errichtet worden ist. Bis zur totalen Machtergreifung haben die Kommunisten in diesen Staaten die Kunst exzessiv liberalisiert; nur so, eben als Revolution der Kunst, wirke sie gesell-schaftsverändernd und als ein Mittel der politischen Revolution, was freilich diskret getarnt wurde unter den Phrasen von Freiheit der Kunst und der Künstler.

Aber mit ihrer Machtergreifung erklärten sie eben diese von ihnen am Tag zuvor noch geförderte Kunst für entartet, volksfremd, antiproletarisch, parteifeindlich und proklamierten den Sozialistischen Realismus als künstlerische Staatsreligion: eben jene Kunstrichtung, die mit den banalsten Mitteln, ganz inhaltsbetont und jedenfalls epigonal die Illusion einer heilen, in diesem Fall sozialistischen Welt herbeizaubert. Revolutionärer oder euch nur pseudorevolutionärer Elan war plötzlich in höchstem Grade unerwünscht, denn Ruhe ist die erste Bürgerpflicht gerade im Proletarierstaat.

Unter diesem Aspekt muß das ganze teils kindische, teils vertrottelte und teils perverse Kasperltheater gesehen werden, das unsere Theater bieten, und nicht nur sie, sondern praktisch der ganze Kunstrummel: zwischen Buchdeckeln, in Galerien, auf Leinwand und Mattscheibe, sogar in Konzertsaal und Oper — von den Happenings ganz zu schweigen. Den Akteuren selbst wird man kaum etwas anderes vorwerfen können als nackte und blanke Dummheit Um so gerissener aber sind ihre Regisseure. Die reden von Freiheit der Kunst und denken die Politik der Diktatur. Oder glaubt man im Ernst, daß die intellektuellen Drahtzieher der neulinken Revolution den zu einem beträchtlichen Teil aus Fäkalien bereiteten Schmarren, den sie derzeit mittels der von ihnen unterwanderten Massenmedien als Kunst ins Volk tragen, in ihren Mußestunden auch selber konsumieren? So blöd sind sie, leider, nun nicht; da fadi-sieren sie sich doch noch lieber mit Kitsch von erwiesener Qualität. Und warten, denn privat sind sie echte alte Kleinbürger, auch für die Dek-kung ihrer eigenen kulturellen Bedürfnisse auf das Ende dieses von ihnen inszenierten Alptraums und die Heraufkunft einer endlich ihrer, heilen Welt.

*

PS der Redaktion: In Wien ist von einem linksrevolutionären Theater noch kaurn, eine Spur zu entdecken. Soll man sich deshalb glücklich schätzen? Oder vielmehr bedauern, daß es bei uns noch nicht einmal zu einer echten Konfrontation gekommen ist? Aber in einer Stadt, in der es kaum Uraufführungen gibt, besteht weiterhin die Hoffnung, daß alles beim alten bleibt. Ob es das gute Alte ist, mag allerdings in Frage gestellt werden.

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