6858855-1977_27_07.jpg
Digital In Arbeit

Sambias Feinde im eigenen Land

19451960198020002020

Mit der Eskalation des „Krieges“ gegen das weiße Rhodesien, mit den wachsenden wirtschaftlichen Problemen im eigenen Land und mit den allgemeinen Neuwahlen, für 1978 in Aussicht, nähert sich Sambias Staatspräsident Dr. Kenneth Kaunda dem schwierigsten Abschnitt seiner Regie- rungspėriode, seitdem sein Land 1964 unabhängig wurde. Der fallende Kupferpreis auf dem Weltmarkt (Kupfer war einstmals Sambias Haupteinnahmequelle), der Grenzsperre gegenüber Rhodesien und der im Mai 1977 abgegebenen Erlärung, daß sich sein Land nunmehr im Kriegszustand mit dem weißen Nachbarn im Süden befinde, haben Sambia an den Rand des Ruins geführt. Die Forderungen der von Sambia aus gegen Rhodesien und die ehemalige deutsche Kolonie Südwestafrika operierenden Guerilleros trugen ebenfalls dazu bei, die letzten Reserven der Staatskasse zu verbrauchen. Die Unzufriedenheit im eigenen

19451960198020002020

Mit der Eskalation des „Krieges“ gegen das weiße Rhodesien, mit den wachsenden wirtschaftlichen Problemen im eigenen Land und mit den allgemeinen Neuwahlen, für 1978 in Aussicht, nähert sich Sambias Staatspräsident Dr. Kenneth Kaunda dem schwierigsten Abschnitt seiner Regie- rungspėriode, seitdem sein Land 1964 unabhängig wurde. Der fallende Kupferpreis auf dem Weltmarkt (Kupfer war einstmals Sambias Haupteinnahmequelle), der Grenzsperre gegenüber Rhodesien und der im Mai 1977 abgegebenen Erlärung, daß sich sein Land nunmehr im Kriegszustand mit dem weißen Nachbarn im Süden befinde, haben Sambia an den Rand des Ruins geführt. Die Forderungen der von Sambia aus gegen Rhodesien und die ehemalige deutsche Kolonie Südwestafrika operierenden Guerilleros trugen ebenfalls dazu bei, die letzten Reserven der Staatskasse zu verbrauchen. Die Unzufriedenheit im eigenen

Werbung
Werbung
Werbung

Lande wächst. Der Kupferpreis wird unsinnigerweise durch die Tatsache hinaufgetrieben, daß der kürzeste Transportweg über Rhodesien, Südafrika und Moęambigue zu den Häfen des Indischen Ozeans nicht mehr offensteht. Nicht nur aus propagandistischen Gründen erklärte Staatspräsident Kaunda, daß er die Commonwealth-Konferenz in London nicht besuchen werde, weil seine Anwesenheit als Oberbefehlshaber der Armee im Lande erwünscht sei - er mußte auch damit rechnen, daß ihn das Schicksal zahlreicher anderer afrikanischer Staatsoberhäupter ereilen und daß ein Staatsstreich ihn hinwegfegen könnte, während er in Bonn, London, Paris, Den Haag und Wien über die „weiße Bedrohung aus dem Süden“ redete.

Krampfhaft und verzweifelt sucht Sambia nach neuen Exportmöglichkeiten. Die Landwirtschaft soll angekurbelt werden, um das Land vom Kupferexport unabhängiger zu machen. Be obachter in Lusaka fürchten jedoch, daß der neue Wirtschaftsplan zu spät kommen könnte. Die Sambier werden ungeduldig. Führende Köpfe kritisieren Dr. Kaundas „Beschäftigung“ mit der internationalen Politik und fordern, er möge sich mehr mit internen Problemen befassen. Die kommenden Wahlen tragen ebenfalls dazu bei, daß der Widerstand gegen Dr. Kaundas Regierung in der Hauptstadt und im sogenannten Kupfergürtel wächst. Bis auf weiteres wurde jede Wahlpropaganda verboten. Führende Politiker in der Regierung mußten gehen, weil sie sich offen für die verbotene „Vereinigte Progressive Partei“ einsetzten. Sambia ist zwar ein Ein-Parteien-Staat, aber nach wie vor hat der „aufs Land verbannte“ Gründer der „United Progressive Party“, Kapwepwe, viele Anhänger. Erneut wird das in Afrika verpönte Wort vom Stammesdenken laut, aber dieses Stammesdenken ist in einem Land, das heute noch siebzig ver schiedene Stämme zählt, immer noch sehr bedeutungsvoll. Mit einer sorgfältig vorbereiteten Kampagne gegen die „Staatsfeinde“ versucht Dr. Kaunda jedoch die Positionen seiner „United National Independence Party“ (Vereinigte Nationale Unabhängigkeitspartei) zu halten und zu verbessern. An erster Stelle steht dabei der Kampf gegen Korruption und Dummheit. Nicht nur zwei Kabinettsminister, sondern auch zwei Generäle mußten gehen. Infolge des Defizits an Devisen herrscht in Sambia ständiger Mangel an zahlreichen Lebensmitteln, Kon- sumgütem und Rohstoffen. Noch vor einem Jahr waren die Geschäfte mit allen möglichen Produkten aus Rhodesien und der Südafrikanischen Republik gefüllt. Heute sind die Auslagen leer. Vor allem mangelt es an Speiseöl, Zucker und Salz, aber Präsident Kaunda stellte inzwischen eine Liste von zwölf Produkten zusammen, die in den Geschäften vorrätig sein müssen. Das Publikum soll in Zukunft das Recht haben, die verantwortlichen Minister in der Öffentlichkeit zu fragen,

warum verschiedene Produkte nicht vorhanden sind. Beobachter in Lusaka meinen, der Präsident wolle damit die Verantwortung auf andere abschieben. Dennoch scheint es, als ob die Bevölkerung Lusakas und des Kupfergürtels wüßte, daß nicht nur die Mercedesbesitzer Schuld an der wirtschaftlichen Misere tragen. Nicht umsonst unternahm Präsident Kaunda vor seiner Abreise nach Europa noch einmal eine Propagandareise durch das Land. Er wolle verlorengegangenes Vertrauen wiedergewinnen, sagte er. In seinen Reden warnte er jedoch immer wieder vor den bösen Weißen in Rhodesien und Südafrika. Sie nützten, sagte er, die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes schamlos aus. Der Präsident der sambischen Standardbank, Mr. Elias Chipimo, der früher Hoher Kommissar seines Landes in London war, nannte das Kind jedoch beim Namen. In einer Rede vor dem „Wirtschaftsklub Lusaka“ sagte er, daß Sambias wirkliche Feinde in der Hauptstadt zu suchen seien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung