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Schwere Zeit für Israelis

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Die arabischen und afrikanischen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, wahrscheinlich unterstützt von der asiatischen Staatengruppe, wollen der am 17. September in New York beginnenden 29. Vollversammlung der UNO den algerischen Außenminister Abdul Asis Bouteflika als neuen Präsidenten Vorschlägen. Damit rückt ein Diplomat der „Dritten Welt” ins Schlaglicht der internationalen Politik, in dem viele Kenner der Verhältnisse eine der fähigsten politischen Persönlichkeiten der arabischen Diplomatie sehen.

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Die arabischen und afrikanischen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, wahrscheinlich unterstützt von der asiatischen Staatengruppe, wollen der am 17. September in New York beginnenden 29. Vollversammlung der UNO den algerischen Außenminister Abdul Asis Bouteflika als neuen Präsidenten Vorschlägen. Damit rückt ein Diplomat der „Dritten Welt” ins Schlaglicht der internationalen Politik, in dem viele Kenner der Verhältnisse eine der fähigsten politischen Persönlichkeiten der arabischen Diplomatie sehen.

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Bouteflika ist ein bleingewach- sener, drahtiger Sportlertyp. Sein ebenmäßiges, rundes Gesicht mit dem vollen Haarwuchs und dem überdimensionalen Schnauzbart über den vollen Lippen ist das Urbild eines „Bonvivant”. Wer ihm begegnet, weiß nicht so recht, was ihn mehr fasziniert — die großen dunkeln Augen, die ebenso ausdruckslos wie schalkhaft blicken können, oder die zupackenden Hände. Der Mann ist ein Frauentyp, wenn auch nicht in der traditionellen Gestalt des Salonverführers. Doch seine stämmige Figur, gekrönt von dem alle Widerstände zu ignorieren scheinenden Schädel, und sein entschlossener Gang verraten das Durchsetzungsvermögen eines ebenso schönen wie klugen Raubtiers.

Algeriens Außenminister, gegen dessen Wahl zum UN-Präsidenten es kaum Widerstand geben dürfte, ist erst 39 Jahre alt. Seine politischen Sporen verdiente der in Marokko ausgebildete junge Mann als Captain in der „Nationalen Befreiungsarmee” seines Landes.

Achmed Ben-Bella, erster algerischer Staatschef nach Erlangung der nationalen Selbstbestimmung, entdeckte jedoch frühzeitig die viel weitergehenden politischen und vor allem diplomatischen Talente des Jünglings. Im Herbst 1963 wurde er algerischer Außenminister, mit 28 Jahren damals der jüngste Außenminister der Welt. Die Außenamtschefs in West und Ost und ihre skeptischen Diplomaten in Algier täuschten sich bald sehr in den Qualitäten des „unerfahrenen jungen Mannes”. Als Oberst Houari Boumė- dienne seinen einstigen Kampfgenossen und Freund Ben-Bella ablöste, behielt er Bouteflika im Außenamt, wo er es inzwischen elf Jahre lang ausgehalten hat. Bouteflika stellte nicht nur aus dem Nichts eine ebenso reibungslos funktionierende wie sich auf brillante Köpfe stützende Diplomatie auf die

Beine. Er nahm den politischen Aktionen der algerischen Führung auch viel von ihrer Schroffheit, ohne jedoch einen Deut von den nationalen Zielen abzuweichen. Seine Verhandlungspartner in West und Ost kennen ihn als liebenswürdiges, und wahlinformiertes, verbindliches und in der Sache hartes Gegenüber. Bouteflika war es, der Algerien eine Führerrolle in der gesamten „Dritten Welt” erkämpfte, als noch der Ägypter Gamal Abdel Nasser sie innezuhaben schien. Seine Diplomatie machte den nordafrikanischen Randstaat der arabischen Welt zu einem der gewichtigen Kraftfelder des „Ramadan-Krieges” im vorigen Oktober und zu einem der Motoren der unter anderem auch von Ägypten angestrebten Vernunftregelung, des Nahostkonfliktes. Zwischen Washington und Moskau, Peking, Brüssel und Paris gilt er inzwischen als zwar unbeeinflußbarer algerischer Patriot, aber auch als willkommener und verständniswilliger Gesprächspartner. Wenn Präsident Valėry Giscard d’Estaing demnächst als erster französischer Staatschef seit der Unabhängigkeitserklärung Algerien einen offiziellen Staatsbesuch abstattet und damit den Schlußpunkt unter eine von gegenseitiger Anziehung wie Haß, Blut und Tränen bestimmte gemeinsame Geschichte beider Länder setzt, ist das vor allem ein Verdienst Boute- flikas.

Nachdem das Palästinaproblem zu den Hauptthemen der diesjährigen UN-Vollversammlung gehören wird, muß sich Israel auf eine schwierige Zeit gefaßt machen. Bouteflikas Herz schlägt für die Palästinenser. Doch bei ihm verbinden sich Emotionen, Visionen und diplomatisches Geschick zu einer Mischung, die erwarten läßt, daß er auch die Argumente der Gegenseite zur Geltung kommen läßt und damit vielleicht einen nicht unwichtigen Beitrag zum Frieden in Nahost leisten könnte.

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