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LOUIS JOXE / IN BESONDERER MISSION

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Nach dem Schlußakt in Evian und in den darauffolgenden Tagen des Jubels, der Erbitterung, der stillen Genugtuung — je nach Maßstab und Breitegrad — sowie der atemlosen Spannung angesichts der angekündigten „Gegenmaßnahmen“ war nur noch von den „Siegern“ die Rede: von der kleinen Gruppe algerischer Exilpolitiker, die — ein Ben Khedda, ein Krim Belkassem

oder der aus dem französischen Gewahrsam freigelassene Ben Bella — erreicht haben, was ihnen einst als die Verwirklichung ihrer Träume vorgeschwebt hat. Ihr Partner am grünen Tisch, der französische Minister für die algerischen Angelegenheiten, Louis Joxe, steht seit der Unterzeichnung des Waffenstillstandabkommens im Schatten der turbulenten Ereignisse. Ein Meister der subtilen Kunst der Diplomatie hat sein Werk hinter hermetisch verschlossenen Konferenztüren vollendet, hat den ne+zn Weg einer französisch-algerischen Koexistenz geebnet. Dieser „Sieg“ ist publizistisch viel weniger verwertbar als der „Sieg der Revolution“, ist jedoch für die Zukunft Europas und Nordafrikas von noch unabsehbarer Bedeutung. Die alte Meisterschaft der französischen Diplomatie erweist sich damit als ein lebendiger, höchst bedeutsamer Faktor europäischer und supraeuropäischer Gegenwartsgeschichte.

Halten wir die Stationen dieser musterhaften Diplomatenkarriere fest: Louis Joxe, geboren am 16. September 1901, studiert Ge-

schichte und Geographie und wird zunächst Mittelschulprofesspr. Schon im Jahr 1932 scheint er jedoch im Kabinett eines Unterstaatssekretärs im französischen Außenministerium auf und wird in der Folge als Delegationsmitglied Frankreich beim Völkerbund, und dann, 1933/34, bei der Genfer Abrüstungskonferenz unseligen Angedenkens, vertreten. Nach kurzem Waffendienst — 1939/40 — arbeitet Louis Joxe in der Widerstandsbewegung. Er wird Generalsekretär des nationalen Befreiungskomitees und später, nach der Befreiung, der provisorischen Regierung Frankreichs. Sein Chef hieß damals: General de Gaulle.

Eine wechselvolle Tätigkeit in verschiedenen Regierungsämtern folgt. Nach und nach erscheint Joxe auf dem Parkett der internationalen Diplomatie. Von 1952 bis 1955 ist Louis Joxe französischer Botschafter in Moskau, ein weiteres Jahr in Bonn und bereitet da wie dort zusammen mit seinen Botschafterkollegen der vier Großmächte die denkwürdigen Konferenzen jener Jahre auf hoher und höchster Ebene vor. Als General

de Gaulle wieder an die Macht kommt, zieht er Joxe in den Kreis seiner engsten Mitarbeiter. Zuerst Staatssekretär, dann für kurze Zeit Erziehungsminister, wird Louis Joxe am 22. Novewber i960 Staatsminister, betraut mit der Durchführung der Friedensmission de Gaul-les. Man bestätigt ihm damals von rechts und links, daß er der derzeit fähigste Diplomat Frankreichs sei. Zudem ein Mann für liberale Lösungen, mit einem guten Instinkt für die „menschlichen Beziehungen“.

Seit Ende Oktober 1961, in der letzten Phase der Verhandlungen in Evian, stand Joxe ausschließlich und direkt mit dem Staatspräsidenten in Kontakt, da Ministerpräsident Debri am Sinn und Erfolg dieser Politik des Gesprächs zu zweifeln schien. Am 18. März 1962 behielt jedoch Joxe recht. Durch seine erfolgreiche Verhandlungsführung hat er de Gaulle, seiner Nation und der freien Welt einen großen Dienst erwiesen. Man wird diesem französischen Diplomaten in besonderer Verwendung wohl noch begegnen...

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