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Sicheres Spiel

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Am 4. Juli finden Präsidentschaftswahlen in Mexiko statt, bei denen von vornherein feststeht, daß der Kandidat der Regierungspartei „Partido Revolucionärio lnstitucional“ („PRI“), der bisherige Finanzminister Jose Lopez Portillo, an die Macht gelangen wird. Angesichts dieser Sicherheit ist es erstaunlich, daß er eine gewaltige Wahlkampagne betrieb, bei der er 55.000 Kilometer reiste und auf 1.200 Veranstaltungen in 963 Ortschaften sprach. Offensichtlich betrachtet der „PRI“ die Zahl der Wahlenthaltungen als einen Maßstab für die Popularität und damit für die Legitimität der Bewegung.

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Am 4. Juli finden Präsidentschaftswahlen in Mexiko statt, bei denen von vornherein feststeht, daß der Kandidat der Regierungspartei „Partido Revolucionärio lnstitucional“ („PRI“), der bisherige Finanzminister Jose Lopez Portillo, an die Macht gelangen wird. Angesichts dieser Sicherheit ist es erstaunlich, daß er eine gewaltige Wahlkampagne betrieb, bei der er 55.000 Kilometer reiste und auf 1.200 Veranstaltungen in 963 Ortschaften sprach. Offensichtlich betrachtet der „PRI“ die Zahl der Wahlenthaltungen als einen Maßstab für die Popularität und damit für die Legitimität der Bewegung.

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Das günstige Klima könnte nämlich vor allem durch die feindliche Haltung der Studentenschaft beeinträchtigt werden. Als der derzeitige Präsident Luis Echeverria 1975 das Studienjahr an der autonomen Nationaluniversität eröffnete, schrien die Studenten „Tlatelolco“ und warfen alle möglichen Gegenstände nach ihm, so daß er blutend das Kampffeld räumen mußte. Dieser Ruf bezog sich auf die Zusammenstöße, bei denen die Polizei 1968 (als Echeverria Innenminister war) während eines Meetings auf dem „Platz der drei Gewalten“ („Tlatelolco“) in die Menge schoß, wobei 300 Studenten ums Leben kamen. Bei diesen Zusammenstößen wurden mehr als 200 Personen, unter ihnen auch Politiker, Schriftsteller, Universitätsprofessoren und einige Beamte, verhaftet. Die Strafjustiz arbeitet in Mexiko so langsam, daß bisher nur 36 Untersuchungshäftlinge Gefängnisstrafen bis zu sechs Jahren erhielten, während gegen die anderen der Strafprozeß noch anhängig ist. Jetzt hat Echeverria im Rahmen der Wahlkampagne eine „neue Politik der nationalen Versöhnung“ proklamiert und eine Amnestie für alle verkündet, die wegen der Studentenunruhen von 1968 angeklagt oder verurteilt wurden.

Die mexikanische Presse hat es erst kürzlich dem nordamerikanischen Botschafter in Mexiko sehr verübelt, daß er das Wort eines dortigen Oppositionspolitikers zitierte, der das mexikanische Wahlsystem als Erbmonarchie bezeichnete.

In der Tat trifft der Vergleich nur zur Hälfte zu: nach der geltenden Verfassung kann der Präsident nach sechsjähriger Tätigkeit nicht wieder gewählt werden. Dafür entscheidet er aber de facto über seine Nachfolge. Ein kleiner Parteivorstand wählt den Präsidentschaftskandidaten unter den amtierenden Ministern aus.

Der „PRI“ hat seit fast fünfzig Jahren noch nie eine Wahl verloren. Dabei wäre es unkorrekt, von einer „Einheitspartei“, wie sie etwa im Ostblock üblich ist, zu sprechen. Aber die einzige ernst zu nehmende Oppositionspartei, die ursprünglich

rechtskatholische „Acciön Nacional“, hat sich in einen „fortschrittlichen“ und einen „reaktionären“ Flügel gespalten. Nur einer von ihnen hat im letzten Augenblick Pablo Emilio Madero aufgestellt, aber so spät, daß auf dem Stimmzettel nicht sein Name erscheint, so daß der Wähler

ihn mit der Hand dazuschreiben müßte.

Nach mexikanischem Recht muß eine Partei, die an den Wahlen teilnehmen will, eine Liste mit den Namen von mindestens 65.000 Mitgliedern vorlegen. Die kommunistische Partei ist hiezu nicht bereit, weil sie, wie ihr Sprecher sagte, „mit polizeilichen Verfolgungen rechnen muß“. Trotzdem hat sie (rein demonstrativ) Valentin Campa als Kandidaten, . proklamiert. Diese Gegnerschaft der KP zum herrschenden Regime beweist, daß die von dreißig nordamerikanischen Politikern in einer Note an Präsident Ford erhobene Anklage, die Regierung des Präsidenten Luis Echeverria habe in den letzten zwölf Monaten „große Schritte zur Einsetzung eines kommunistischen Regimes in Mexiko“ gemacht, den Tatsachen widerspricht. Dabei ist freilich nicht zu übersehen, daß Mexiko seit jeher aus historischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen in einem ständigen Spannungsverhältnis zu den USA lebt, das nur im Augenblick durch den kürzlichen Blitzbesuch Kissingers gemildert zu sein scheint.

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