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Sicherheit ist uns zu teuer

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Die Frage, ob sich Österreich moderne Überschall-Abfangjäger leisten soll und auch kann, hat wieder einmal deutlich gemacht, nach welchen Kriterien hierzulande Sicherheitspolitik gemacht wird. Erstes Kriterium: Sie soll nicht viel Geld kosten. Damit steht die Entscheidung beim Kauf teurer Waffen von vornherein fest. Denn das Verteidigungsbudget, wie alle anderen Haushalte mit zu hohen Personalaasgaben belastet, kann nicht einmal mehr die laufenden Instandhaltungskosten decken. Bestes Beispiel: die desolaten Bundesheerkasernen.

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Die Frage, ob sich Österreich moderne Überschall-Abfangjäger leisten soll und auch kann, hat wieder einmal deutlich gemacht, nach welchen Kriterien hierzulande Sicherheitspolitik gemacht wird. Erstes Kriterium: Sie soll nicht viel Geld kosten. Damit steht die Entscheidung beim Kauf teurer Waffen von vornherein fest. Denn das Verteidigungsbudget, wie alle anderen Haushalte mit zu hohen Personalaasgaben belastet, kann nicht einmal mehr die laufenden Instandhaltungskosten decken. Bestes Beispiel: die desolaten Bundesheerkasernen.

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Zweites Kriterium: Sie soll dem gesunden Volksempfinden — heißt Wählerstimmen — nicht zuwiderlaufen. Wer mag es aber der vox populi verargen, wenn sie statt nach Abfangjägern nach mehr Schulen, Spitälern, ja selbst nach besseren Kasernen ruft. Die aufgestauten Probleme und kurzfristigen Sorgen sind zu groß, um einige Schritte weiter denken zu können.

Kriterium Nummer drei: Was für andere ein Problem darstellt, ist für uns noch lange keines. Während westeuropäische Demokratien in der Größenordnung Österreichs, also Belgien und Dänemark, zähneknirschend ihren wesentlich höheren Verteidigungsbeitrag in die NATO einbringen, stehen wir bei den Verteidigungsausgaben noch immer am unteren Ende der Weltliste. Auch in diesen Ländern gibt es eine vox populi, gibt es Wahlen, gibt es Menschen, die der Kriege und der Soldaten überdrüssig sind. Aber dort beugt sich der Staat diesen verständlichen Abwehrreaktionen seiner Bürger nicht, denn Politik kann nicht nur populär sein. Doch zurück nach Österreich.

Es wäre unfair, diese Bundesregierung allein für die offenen Probleme der Landesverteidigung verantwortlich zu machen. Die Fehler liegen unbestritten in der Vergangenheit, und das heißt, auch bei Verteidigungsministern, die von der ÖVP gestellt wurden. Denn, wer jetzt die Frage nach dem Schutz unseres Luftraumes stellt, hätte sie genauso Graf, Schleinzer oder Prader stellen können, Wer jetzt auf Abfangjäger pocht, muß fragen, was wir bisher hatten. Zu einer Zeit, als rund um Österreich die Militärmaschinen bereits mit doppelter Schallgeschwindigkeit kreisten, haben wir uns für Flugzeuge entschieden, die langsamer als Verkehrsmaschinen fliegen. Glaubt man jetzt den Wunsch der Verantwortlichen nach Abfangjägern mit dem Attribut „Spielzeug von ein paar Generälen“ abtun zu können — was sind dann die SAAB-Düsenjä-ger, die das Bundesheer jetzt hat?

Eine haltlose Situation kann nur

mit einer klaren Alternative gelöst werden. Entweder, wir sehen im Schutz des neutralen Luftraumes eine Spielerei von Soldaten — dann sofort weg mit allen Flugzeugen. Kein Schilling darf dann mehr für teures Flugbenzin ausgegeben werden. Oder...?

Gerade vor dieser Alternative scheint man jetzt zu kneifen. Deklariert man nämlich den derzeitigen Zustand als Spielerei, gesteht man sich den bankrotten Zustand der Landesverteidigung ein. Ein Bankrotteur will aber niemand sein. — Und wie sieht die Lösung aus, die die Regierung während ihrer Klausur getroffen hat? Man verschiebt das Problem auf später, sagt, es stelle sich jetzt noch nicht. Hatten wir 21 Jahre lang keine Möglichkeit, den Luftraum zu schützen, soll es offenbar auf ein paar weitere Jahre nicht mehr ankommen.

Mit Zeitgewinn allein ist es aber nicht getan. So gut kann die Konjunktur in den nächsten Jahren gar nicht werden, daß wir im Staatssäckel genügend Geld für einen unpopulären Flugzeugkauf haben. Darum geht es doch. Und stellt man dann in drei oder vier Jahren die Frage nach Abfangjägern, kosten sie nicht mehr zwei, sondern bereits drei oder vier 'Milliarden Schilling.

Kann sich also der neutrale Kleinstaat überhaupt dem Rennen zwischen neuen Technologien und höheren Kosten stellen? Zu einer klaren Antwort fehlt eine Grundsatzdiskussion. Indern man das Problem Abfangjäger verschiebt, drückt man sich eigentlich um diese Grundsatzdiskussion. Wie will man von den Wählern eine Zustimmung zur Verteidigung dieses Landes, wenn sie gar nicht wissen, wie es verteidigt werden soll? Oder wissen das auch noch nicht die Verantwortlichen?

Von der Diskussion um das neue Wehrkonzept sind in der Öffentlichkeit nur Anekdötchen übriggeblieben. Etwa die Spionageaffäre, die eigentlich keine war, oder das verstopfte Generalsklosett; das war wiederum eine Affäre. Dazwischen

wurden dem Bürger einige Brocken wie Gesamtverteidigung und Raumschutz an den Kopf geworfen. Im übrigen aber bleibt alles versteckt im sicheren Panzerschrank. Damit es nicht wieder eine Spionageaffäre gibt, wedl ein Journalist seinen Lesern über das neue Wehrkonzept berichten will.

Im Dunstkreis von Geheimnistuerei, Wichtigtuerei und Spionageverdacht wird diese Landesverteidigung nie populär werden. So ist sie wirklich dazu verurteilt, ein Spielzeug aller Beteiligten zu bleiben. Und nicht nur der Generäle.

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