6816128-1973_10_07.jpg
Digital In Arbeit

Sogar für die Opposition...

Werbung
Werbung
Werbung

In den letzten Monaten ist außerhalb Schwedens wiederholt die Frage gestellt worden, wieso sich gerade das als kühl und zurückhaltend beschriebene Volk dieses Landes so außerordentlich stark gegen die amerikanische Kriegsführung in Indochina einsetzt.

Eine Erklärung für die schwedische Reaktion liegt zweifellos darin, daß neben dem Fernsehen vor allem die gesamte Presse des Landes eine Berichterstattung entwickelt hat, die in benachbarten westeuropäischen Ländern kaum zu finden ist. Die reich ausgestattete Presse, das Lesebedürfnis und der Wunsch, sich vielfältig zu informieren (die Schweden lesen mehr Zeitungen als irgendein anderes Volk in Europa!), nicht zuletzt auch die neutrale Haltung des Landes, führten dazu, daß es wiederholt Schweden waren, die von bis dorthin wenig bekannten Punkten der Erde zuerst und ausführlich berichten konnten. So waren Schweden die ersten Reporter mit umfassenden Direktberichten aus Nordkorea, Nordvietnam und auch China.

Diese Informationsmöglichkeiten will man in Schweden auf keinen Fall verlieren. Daraus entspringt das Bemühen, die Bildung eines Informationsmonopols in einzelnen Städten oder Verwaltungsbezirken zu verhindern. Das Hauptziel der immer wichtiger — und kostspieliger — werdenden staatlichen Presseförderung ist deshalb darauf gerichtet, die Stillegung der sogenannten „Zweitzeitungen“ in einem Verbreitungsgebiet zu verhindern. Dasselbe ist bei überregionalen Blättern der Fall, die man als „Reichszeatungen“ bezeichnet. In diesem Sektor gibt es heute tatsächlich nur noch die „Dagens Nyheter“, die weitaus größte Morgenzeitung des Landes, und das konservative „Svenska Dag-bladet“. Die sozialdemokratischen „Reichszeitungen“ sind eine nach der aneren eingegangen, die letzte von ihnen, „Stockholms Tidningen“, erst, als ihr jährliches Defizit 18 Millionen Schwedenkronen erreichte.

Die in allen Ländern bekannte „Auflagenspirale“ — die größte Zeitung erhält die meisten Inserate, sie kann mehr Geld für die Ausstattung ausgeben, gewinnt weitere Leser, erhält noch mehr Inserate — während die konkurrierende kleinere Zeitung die entgegengesetzte Entwicklung erlebt, veran-laßte die Regierung 1965, die Parteiensubvention einzuführen, die vorerst 23 Millionen Schwedenkronen jährlich betrug und zum größten Teil der bedürftigen Tagespresse zufloß. Nur so konnte etwa die KP Schwedens ihre kleine „Norrskensflamman“ im Norden des Landes am Leben erhalten.

Doch diese Zuwendungen erwiesen sich bald als unzureichend und das Zeitungssterben ging weiter. Die staatlichen Zuwendungen wurden Schritt für Schritt erhöht. Es kam zur Bildung des Investitionsfonds der Presse, der bisher bereits 100 Millionen Schwedenkronen an zinsenfreien Anleihen ausgegeben hat. Im jüngsten vorgelegten Haushaltsplan sind 112 Millionen an Direktsubventionen für die Tagespresse vorgesehen, 65 davon sind Produktionsunterstützungen, 25 erhält der Investitionsfonds, 22 Millionen werden als Distributionsunterstützung ausgegeben. Ein Blick auf das vergangene Jahr zeigt jedoch, daß durch die Erlassung der Mehrwertsteuer und die verbilligten Posttaxen der Presse weitere Ausgaben in der Höhe von 180 Millionen Schwedenkronen erspart worden sind. Man kann also den Wert der staatlichen Unterstützung mit 300 Millionen jährlich annehmen. Und dazu kommen noch die Beträge, die über die politischen Parteien verteilt werden.

Das Bestreben, keine Monopolstellung aufkommen zu lassen, führte eigentümlicherweise dazu, daß im Vorjahr das stark regierungsfeindliche „Svenska Dag-bladet“ neben der sozialdemokratischen „Arbetet“ in Malmö die höchste staatliche Subvention entgegennehmen konnte. Auch die zwei nächsten „Spitzenreiter“ in der Subventionsklasse, die Göteborger Han-delstidning“ und das Organ der Zentralpartei „Skänska Dagbladet“, sind oppositionelle Blätter.

Es gibt gar keinen Zweifel daran, daß ohne diese bedeutende Staatsunterstützung eine ganze Reihe von Tageszeitungen das Zeitliche gesegnet hätte. Verständlicherweise ist besonders die Presse der Arbeiterpartei hart bedrängt, hat doch die Partei nun schon eine lange Reihe von Jahren nicht einmal eine Morgenzeitung in Stockholm. Die Rolle der Nachmittagszeitungen von Boulevardcharakter kann hier übergangen werden, doch auch die Situation der von den Gewerkschaften herausgegebenen „Aftonbladet“ mit nahezu 500.000 täglichen Exemplaren ist keineswegs rosig, und man erwägt dort sogar eine technische Zusammenarbeit mit dem streng konservativen „Svenska Dagbladet“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung