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Soldat fiir das Leben

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Soldat sein wird von vielen mit Gewaltanwendung und Töten assoziiert. Können da Christen überhaupt. Soldat sein? Überlegungen dazu von einem Offizier des Generalstabes.

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Soldat sein wird von vielen mit Gewaltanwendung und Töten assoziiert. Können da Christen überhaupt. Soldat sein? Überlegungen dazu von einem Offizier des Generalstabes.

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Soldat und Leben! Bei erster oberflächlicher Betrachtung - ein Anachronismus. Soldat, das sind die unzähligen Denkmäler für die Gefallenen beider Kriege in jeder Gemeinde.

Soldat, das sind die Verstümmelten, die Krüppel, wenn sie den Krieg überlebt haben.

Soldat, das ist der Held nach dem Sieg, auch wenn er für das Böse gekämpft hat. Soldat, das ist der Geächtete nach der Niederlage, auch wenn er für das Gute eingetreten ist.

Dieses Bild des Soldaten ist mir bewußt geworden, als ich erstmals bei der Internationalen Konferenz katholischer Laienorganisationen vor zwei Jahren in Barcelona teilgenommen und mich als katholischer Soldat vorgestellt habe und andauernd mit der Frage konfrontiert wurde (interessiert, nicht ablehnend übrigens), wie es möglich sei, Christ und Soldat zu sein.

Da erinnerte ich mich auch an eine Statistik, die vor einigen Jahren von Amnesty International veröffentlicht worden ist und die besagt, daß in 140 von 165 Staaten dieser Erde bewaffnete Konflikte verschiedener Intensität herrsehen. Die Mehrheit der Delegierten kannte also nur den Soldaten mit schußbereiter Waffe.

Aufgrund der vielen Fragen und Gespräche bin ich mir bewußt geworden, daß ich Soldat sein darf in der Armee eines freien Landes, die von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung bejaht wird; in einer Armee, die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben “und ihrer Konzeption ausschließlich zur Verteidigung dient, die niemanden bedroht;

in einer Armee, deren Existenz sogar eine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung des Friedens in der umliegenden Nachbarschaft darstellt;

in einer Armee, in der Befehlsverweigerung in bestimmten Fällen sogar befohlen ist.

Ich darf in einer Armee dienen, nicht um der Ehre oder des Geldes willen, nicht um im Kampf meine Männlichkeit unter Beweis zu stellen, nicht um den Tod zu bringen, sondern das Leben zu erhalten.

Für mich ergibt sich daher ein ganz anderes Bild vom Soldaten:

• Der Soldat, der gelobt, seine Heimat zu verteidigen und wann und wo es nötig ist, auch mit der Waffe dafür einzutreten (dem also der Waffeneinsatz von außen aufgezwungen ist).

• Der Soldat, der kämpfen lernt, um nicht kämpfen zu müssen.

• Der Soldat, der wahrhaft Friedensdienst leistet, so wie es das Konzil formuliert.

Das ist aber auch der Soldat, der bei der Ausmusterung am There-sienplatz in Wiener Neustadt in Anwesenheit höchster politischer und kirchlicher Repräsentanten sein „Treu bis in den Tod!“ ruft.

In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, was verspricht eigentlich die Bevölkerung dem Soldaten, der ihr das Gelöbnis, treu zu sein bis in den Tod, ablegt? Soldat sein ist nicht Selbstzweck. Der Soldat ist ja kein Selbstmörder, er erfüllt seine Aufgabe für die Gemeinschaft, ist ein Teil des Ganzen - Part - Partner!

Der Soldat ist zur Erfüllung seiner Aufgaben bewaffnet, er verfügt über Mittel, Leben zu schützen, er kann Leben aber damit auch vernichten (ähnlich wie in der Medizin, der Pharmazie oder mit der Kernenergie).

Das setzt voraus, daß die Gemeinschaft Vertrauen in ihre Soldaten setzt, daß sie das Bewußtsein hat, daß der Soldat seine Funktion, seine Waffe nicht mißbraucht.

Das setzt aber genauso das Verantwortungsbewußtsein des Soldaten voraus, daß er nicht leichtfertig handelt, auch nicht dem Gegner gegenüber...

Persönliche Haltung, Einstellung kommen aber nicht von selbst. Sie setzen Hinführung, Erziehung voraus. Der Soldat muß zu Ordnung, Disziplin, Sauberkeit, Pünktlichkeit, aber auch zu Tapferkeit und Zivilcourage sowie schließlich zur Rücksicht und Toleranz erzogen werden.

All das sind übrigens Tugenden, die auch die Eltern ihren Kindern vermitteln, um ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen.

Diese Erziehung zur Verantwortung kann, darf aber nicht erst beim Militär beginnen. Der junge Mensch muß hineinwachsen in ein harmonisches Familienleben. Die Werte Liebe, Treue, Verläßlichkeit muß er erleben, nicht vermittelt bekommen. Die Bereitschaft, für andere einzutreten, muß schon als kleiner Bub da sein, wenn es darum geht, die kleine Schwester oder den kleinen Bruder vor einem unerzogenen Kind aus der Nachbarschaft zu schützen. Die Wahl der Mittel, den Einsatz der Waffen, hat der Bub schon in dieser Situation zu bestimmen.

Darauf müssen ihn die Eltern vorbereiten. Das Bundesheer ergänzt und vertieft dann dieses Wissen und Können.

Umgekehrt ist es der konkrete Auftrag an die Armee, junge Menschen zu erziehen, ihnen Werte zu vermitteln, sie zu verantwortungsbewußten Soldaten zu machen, sie für den Kampf vorzubereiten, ihnen das moralische und technische Rüstzeug zu geben, um erforderlichenfalls die Heimat, die ihnen anvertraute Bevölkerung zu verteidigen. Wir, die Vorgesetzten, müssen sie zur Verantwortung für und zur Achtung vor dem Leben — auch dem Leben des Gegners - erziehen.

Der Autor ist Oberst des Generalstabes, sein Beitrag ein Auszug aus einem Vortrag im Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten im Mai dieses Jahres.

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