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Sieg der Massen

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Welche Erfahrung machte das philippinische Volk, das eine unblutige Revolution erlebte? Eine Erfahrung, die überzeugend und jenseits aller Zweifel bewies, daß Kommunikation, Kultur und Religion - richtig gemischt, um harmonisch arbeiten zu können—solche welterschütternden Resultate wie den Sturz eines gut abgesicherten Diktators zustande bringen können - ohne Gewalt und ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.

Als die Revolution am 22. Februar 1986 ausbrach, und als die schwachen Streitkräfte der Rebellen vor der unmittelbaren Vernichtung durch die überlegeneren Truppen des Diktators standen, wurden außergewöhnliche Maßnahmen notwendig, um sie zu schützen.

Als mich die Führer der Aufständischen kontaktierten und mir sagten, daß sie in einer Stunde tot sein würden, sollte ich ihnen nicht helfen, kniete ich nieder und betete, wie ich zuvor nie gebetet hatte. Ich betete um göttliche Führung. Und ich fand die Antwort. Ich mußte die Menschen aus ihren Häusern herausrufen und sie zur Kaserne schicken, wo sich die Rebellen verschanzt hatten.

Nur eine große Menschenmasse, so dachte ich, konnte die Panzer vom Vormarsch abhalten. Und so bat ich wiederholt während der ersten Nacht der Revolution über den katholischen Sender Radio Veritas meine Herde, ihren belagerten Brüdern zu Hilfe zu kommen.

Warum antwortete das Volk auf meinen Aufruf, und warum folgte es ihm mit einem solchen Enthusiasmus, mit solcher Courage und solchem Vertrauen? Die Antwort liegt in zwei Elementen: Religion und Kultur.

Die Kultur diktierte, daß das Volk antworten muß, wenn der Bischof ruft. Die gleiche Kultur, die in der demokratischen Tradition wurzelt, erzürnte sich über die Zwänge des Kriegsrechts, und die Bürger nahmen mit sicherem Instinkt den Bischofs-Appell als eine Möglichkeit, diese Zwänge zu beseitigen, auf.

Es gibt noch einen anderen Aspekt der philippinischen Kultur, der sich während der Revolution manifestierte, der auch mit Handlungsweisen der alten Christen zusammenhängt. Und das ist auf den Philippinen als „Pakiki-sama“ bekannt. Es gibt für dieses Wort keine exakte Ubersetzung, aber der Begriff enthält Elemente von Teilen, von Nachbarschaft, von Brüderlichkeit, von Solidarität und Einheit. Es handelt sich um einen Wert, der einen Filipino besonders in Zeiten der Not drängt, anderen die Hand zu reichen, sogar dann, wenn man persönliche Vorlieben zurückstecken oder Parteigrenzen überschreiten muß.

Deswegen hatten die Soldaten auf den Barrikaden, als die Bürger unbeweglich vor den Panzern standen und sie zum Herunterkommen aufforderten, in Wirklichkeit keine Wahl. Sie vergaßen ihre Jahre der Ausbildung, der sturen Disziplin als Soldaten, die gewohnt waren, Befehlen zu gehorchen, und ließen ihre Waffen fallen.

Warum waren die Menschen so sicher, daß das ganze gewaltlos ablaufen würde, sodaß man sogar kleine Kinder mitbrachte? Die Antwort liegt in ihrer Religion.

Was geschah also? Die Panzer drehten um, und die Soldaten verbanden sich mit den Aufständischen. Der Diktator sah sich verlassen und floh ins Exil.

Um ein Blutbad zu beginnen, hätte ein Zivilist genügt, der einen Stein auf einen Soldaten warf; oder ein nervöser Soldat mit dem Finger am Abzug, der zufällig abdrückte.

Aber niemand warf einen Stein, kein Soldat drückte ab. Es gab nur Liebe und Gutwilligkeit. Auszüge aus einer Rede des Erzbischofs von Manila beim 14. Kongreß der Katholischen Weltunion der Presse (UCIP) Ende Oktober in New Delhi.

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