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„Theologie du chien battu“

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Wenn sich der interessierte Laie die Frage stellt, woher die große Wirrnis in der katholischen Kirche kommt, wird er in diesem Buche mit dem etwas schnodderigen Titel „25 Betrachtungen“ (es sind deren 20 zuviel) die Antwort finden: aus einer miserablen Theologie größtenteils niederländischer Provenienz. Die Kirche der Niederlande war in

Europa die bestorganisierte, die geistig sterilste, die konfessionell engste und neben der Irlands die klerikalste. Nun sind diese schwarz berockten Spießer wild geworden und das Pendel schlägt in die andere Richtung aus. Die Mitarbeiter an diesem Band sind ausnahmslos Niederländer, doch keiner von ihnen ist jenseits der Grenzen seiner Heimat bekannt. Der Dichter v Gabriel Smit, der über Romano Guardini sehr gut schreibt, würde es aber verdienen: seine Übersetzung der Psalmen ist einmalig. An der Rechtgläubigkeit Guardinis ist allerdings kaum zu zweifeln. Ebensowenig an jener Edith Steins, die uns von P. Ro-maeus Leuven präsentiert wird. Erfreulich ist auch der Aufsatz des Jesuiten H. van Leeuwen, „Warum muß man glauben, daß Jesus Christus Gott ist?“ Es ist immer nett, einen Jesuiten zu finden, der auch ein guter katholischer Christ ist. Wirklich eindrucksvoll ist das „Zeugnis“ des Kalviners J. J. Bus-kes, ein Abschnitt, der Profil und Charakter hat, und von Rabbiner Soetendorp, das wahrhaft rührend wirkt. Aber der Rest? Einige Beiträge sind nur langweilig und trivial, andere wieder höchst bedenklich. Das ganze erste Kapitel „Die Person Jesu aus der Sicht der Schrift“ strotzt von weichmäuligen Banalitäten. Professor Grossouw macht uns darauf aufmerksam, daß Christus mit Zöllnern und Sündern, „diskriminierten Minderheiten“, dinierte, und Professor Van Iersel erinnert uns an dieselbe Tatsache. Dozent J. Vink tritt dieses Thema breit. Schließlich ist es „zeitgemäß“. Professor Groussow kommt jedoch mit einem zweiten Beitrag und gewinnt neue Aspekte von der Persönlichkeit Jesu. Welche? Seinen Umgang mit Zöllnern und Sündern. Der Aufsatz des Prämonstratensers H. M. Wejts greift ein nunmehr hoch originelles Thema auf: Christus aß mit Sündern und Zöllnern. (Siehe da! Die Wortfolge ist umgekehrt.) Mit schon unerträglicher innerer Spannung kommt nun der Leser zum Essay Professor Grollenbergs. Grollen wir ihm nicht: Auch er kann von den Zöllnern und Sündern nicht lassen. Noch bringt dies der Jesuitenpater Guus van Hemert zustande, der wie so mancher andere der Autoren Mitarbeiter am „Holländischen Katechismus“ war. Nun, Sünder sind wir alle, aber bei der nächsten Grenzüberschreitung (oder beim Besuch im Finanzamt) werde ich nach der Lektüre dieses Buches Zöllnern mit einer Überdosis christlicher Agape begegnen.

Eine Antwort auf die Frage des Buchtitels bekommen wir kaum. Aus der Mehrzahl der Beiträge erhalten wir keineswegs das Bild des Gottessohnes, sondern eines unsicheren, problematischen, armseligen, zum Revoluzzertum neigenden Sozialromantikers, der weder davidischer Königssproß noch wahrer Gott und Herr ist. Und dieses menschliche Fragezeichen nimmt im vorliegenden Band in zwei „gläubigen Menschen Gestalt an“, die man aber bei bestem Willen nicht in einem Atem nennen möchte: in Franz von Assisi und Martin Luther King. Da haben wir wieder einmal die Verklärung aus sicherer Distanz, deren sich bei uns auch J. F. Kennedy so sehr erfreute. Unwillkürlich fragt man sich da, warum ein Großverlag mit christlichem Vorzeichen und einst wirklichem Ansehen uns solche Würstchen anhängen will. Mit den rühmend erwähnten Ausnähmen bekommen wir hier das vorgesetzt, was Kardinal Danielou eine „Theologie des geprügelten Hundes“ nennt. Und die brauchen wir nicht.

WER IST IN GOTTES NAMEN DIESER JESUS? Herausgegeben von Harry A. A. Mourits, Vorwort von Manfred Plate; Herder, Freiburg-Basel-Wien 1971. 188 Seiten, broschiert DM 15.—.

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