6894995-1980_07_17.jpg
Digital In Arbeit

Unsichtbare Erfolge

Werbung
Werbung
Werbung

Der Stromverbrauch ist in Österreich 1979 um insgesamt 3,5% gestiegen. In den Jahren zuvor waren Steigerungsraten um fast das Doppelte zu verzeichnen. Der Treibstoffverbrauch ist in Österreich 1979 um insgesamt 3,1% gestiegen. In den Jahren zuvor waren Steigerungsraten um mehr als das Doppelte zu verzeichnen. Erfolge?

Und wenn: wessen Erfolge? Der Energieberichterstattung der Medien? Der Energiepolitik der Regierung? Vielleicht sogar der Energieverwertungsagentur?

Erfolg oder Mißerfolg der Bestrebungen, den Energieverbrauch in den Griff zu bekommen, lassen sich nur an Zeitabläufen von über 5 Jahren ablesen, innerhalb derer klimato-logische und preispolitische Momen-tanJEffekte sich einzupendeln pflegen. Bei solchen Zeitabschnitten ist es aber unmöglich, Erfolg oder Mißerfolg einer bestimmten Institution oder gar einer bestimmten Person zuzuordnen. Zuviel- Unwägbares (z. B. die Zeitströmung „Small is beautiful") und zuviel Unmeßbares (z. B. die Bewegung gegen die Atomenergie) spielen da mit.

Betrachten wir einmal den Zeitabschnitt 1972 bis 1978. (Bereinigte Ziffern für 1979, die etwa auf dem so sensitiven Mineralölsektor den echten Verbrauch von Heizöl von der Zuführung zur Lagerhaltung trennen, liegen noch nicht vor.) 1972 betrug der österreichische Gesamtenergieverbrauch pro Kopf 2,87 toe (Tonnen Rohöl-Äquivalent). 1978 betrug er 3,30 toe. Die Verbrauchssteigerung betrug also rund 15% oderun Durchschnitt 2,5% pro Jahr. Die absoluten Ziffern stellen Österreich ein hervorragendes Zeugnis aus. In allen vergleichbaren Industriestaaten (Italien ausgenommen, aber dort ist der Wärmebedarf aus klimatischen Gründen wesentlich geringer) lagen die Ziffern schon 1973 über 4 toe pro Kopf der Bevölkerung, in den USA und in Kanada sogar über 8 toe.

Aber in bezug auf die Verbrauchssteigerung schneidet Österreich schlecht ab. In den meisten OECD-Staaten lag die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate bei höchstens 2%, in Belgien und in England ging der Gesamtenergieverbrauch von 1972 bis 1978 sogar geringfügig zurück.

Berücksichtigt man nun, daß in Österreich das Wirtschaftswachstum in dieser Periode über dem OECD-Durchschnitt lag und in der sehr energieintensiven Fremdenverkehrsindustrie sogar außergewöhnlich war, verschiebt sich das Zu-wachsbild zwar etwas zu unseren Gunsten, stellt aber keineswegs ein Zeugnis aus, mit dem Staat zu machen wäre. Hat also die Energieverwertungsagentur geschlafen?

Das wird man frühestens feststellen können, wenn man den Zeitablauf 1978 bis 1983 beobachtet, obwohl, wie gesagt, konkrete Zuordnungen niemals möglich sein werden. Die Aufgabe der Agentur ist es ja auch nicht, auf einem konkreten Gebiet, in einer bestimmten Energiesparte, sparen zu helfen oder gar unmittelbar zu sparen. Ihre klar definierte Aufgabe ist es, „alles zu unternehmen, was zu einer ökonomisch sinnvollen Verwertung von Energie" in Österreich führen kann.

Im Klartext: die Bevölkerung zu sensibilisieren; die Meinungsmacher zu informieren; gesellschaftliche Gruppierungen zu motivieren; Entscheidungshilfen für Politiker zu konzipieren.

Aber wie macht man das? Durch großartige Werbekampagnen, die Millionen kosten? Durch Herausgabe aufwendiger Informationsschriften für die Schubladen der Damen und Herren Redakteure? Durch personalintensive Aufklärungsfeldzüge quer durch Kammern und Verbände, Gewerbe und Industrie? Durch die. Erstellung von Computerprogrammen auf Grund des Status quo oder durch Szenarien, die auch schon den übernächsten russischen Einmarsch in Rechnung stejlen?

Die Wirklichkeit sieht bescheidener aus. Und einfacher. Heute ist jeder auf das Energiethema ansprechbar. Und führt man nur genügend Gespräche mit jedem (und jeder Gruppe), den Wirtschaftszweigen, den Entscheidungsträgern, liefert man ihnen nur die Unterlagen, die sie verlangen (oder brauchen), fühlen sie sich plötzlich motiviert. Und infor-,mieren von sich aus die Meinungsmacher. Die es dann als ihre Berufsaufgabe ansehen, die Bevölkerung zu sensibilisieren.

Gewiß gibt es auch eine Reihe von Querverbindungen: zu den Menschen selbst, die mit ihren Sorgen kommen, wodurch wirnicht nurüber die Stimmung der Bevölkerung Bescheid wissen, sondern über ihre Probleme, ihre Bereitschaft, ihre Schwierigkeiten beim Energiesparen; zu den Medien, die erkannt haben, daß eine allgemeine Änderung im Energieverbrauchsverhalten kaum ohne sie erzielt werden kann und daß sie es eigentlich sind, die alle nur denkbaren Serviceangebote auf dem Feld der Energieverwertung an den Mann zu bringen hätten; zu bestimmten energieintensiven Wirtschaftszweigen, für die eine Minimierung der Energiekosten heute eine Lebensfrage ist und morgen eine Uberlebensfrage sein wird; zu einzelnen Politikern, die erkannt haben, daß ihr Profil innerhalb ihrer Partei, innerhalb.ihrer Gebietskörperschaft durch nichts schärfer werden kann,

..als durch die eigene Profilierung in der Energiepolitik; zur internationalen Energie-Agentur in Paris schließlich, die, findet man nur den richtigen Eingang, ein Selbstbedienungsladen an Know-how in Sachen Energie ist.

Das alles klingt ein bißchen nach dem Märchen von Rumpelstilzchen, in dem der Prinz aus Stroh Gold spinnen muß. Ob es uns bereits gelang, Gold zu spinnen, können wir nicht beurteilen. Und wenn, würden wir es weder wiegen noch zählen können. Wir sehen nur eines: das Stroh wird immer weniger. Auch das, das wir dreschen.

(Professor Peter Weiser ist Leiter der österreichischen Energieverwertungsagentur)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung