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Verantwortung für Sprache, für Sinn

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Zwei bemerkenswerte Tagungen - in Millstatt und in Egg/Bregenzerwald -führten namhafte Wissenschaftler, Literaten und Publizisten zusammen.

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Zwei bemerkenswerte Tagungen - in Millstatt und in Egg/Bregenzerwald -führten namhafte Wissenschaftler, Literaten und Publizisten zusammen.

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Hoffnung auf Sprache, ihre einigende, ihre trennende, ihre irreführende Macht.” Dieses Thema diskutierten Dichter und Journalisten am letzten Wochenende in Millstatt auf Einladung des Verbandes katholischer Publizisten. Der Untertitel mit dem Hinweis auf der Güter höchstes und gefährlichstes — eben die Sprache — kennzeichnet auch die Atmosphäre dieser Gespräche, die nur die „Spitzen der Eisberge” anvisieren konnte, wie Peter Daniel Wolfkind bemerkte.

Er sagte dann auch etwas sehr Entscheidendes: nicht immer auf andere und ihre Sprache hoffen, sondern auf sich selbst, das eigene Sprechen zu verantworten; gerade auf dem Hintergrund dessen, was uns heute an Sprache zwischen Entmenschlichung und allzumenschlichem Geschwätz angeboten wird.

Die gleichzeitige Fußballweltmeisterschaft lieferte dafür ein Beispiel, wenn ein Trainer von seiner Mannschaft sagte: „Die Leistungsträger, waren in einer katastrophalen Verfassung.” Dichter als Teilnehmer dazu: Je-annie Ebner urgierte die Vorsicht, besonders, wenn religiöse Thematik zur Sprache gebracht werden soll, damit sie nicht ins Ideologische abgleite. Alois Brandstätter charakterisierte in seiner bekannt witzigen Art religiöse Geschwätzigkeit: Man habe den Eindruck, daß manche mit der Frühschoppen-Mentalität in Konkurrenz träten, wenn sie ihre Religion an den Mann bringen wollten. Er war es auch, der in seinem Kurzreferat, anknüpfend an Rahners Aufsatz über den christlichen Autor, hinwies, wie wenig mit abstrakten Katalogisierungen erreicht wird.

Die darauf folgende lebendige bis heftige Diskussion bewies, wie schwierig es ist, die Skala der verschieden möglichen Standpunkte zwischen bewahrenden Normen und notwendigen Neuformulierungen nicht in Diskrepanzen auseinandergleiten zu lassen, sondern in einer Ökumene zu vereinigen.

Die Auswahl der Gedichte zeitgenössischer Autoren um das Thema Sprache, vor allem aber das glänzende Referat von Robert Pichl (Universität Wien), der sein Thema „Entwicklung der zeitgenössischen Dichtung Österreichs” zwischen „kategorialer Vergröberung und Sich-Verlieren in Details” in konzentrierter Linienführung einprägsam durchzeichnete, lieferten konkretes Anschauungsmaterial, das Dichtern und Journalisten die Vielgestalt sprachlichen Verantwortungsbewußtseins vor Augen führte und Hoffnung auf Sprache vermitteln konnte.

Es war ein glücklicher Einfall, zur abschließenden Podiumsdiskussion Vertreter verschiedenen Alters und verschiedener Berufe aus dem Publikum (Landwirtf Student, Kaufmann) aufs Podium zu bitten. So geriet die Diskussion nicht zu einem Selbstgespräch der Referenten. Das heurige Darwin-Jubiläum bot den Anlaß für die 12. Bregenzerwälder Kulturtage, unter dem Titel „Was ist der Mensch?” von biologischer, psychologischer, philosophischer und selbstverständlich auch theologischer Sicht Beiträge zum Selbstverständnis des Menschen zu liefern.

Der Philosoph G. Scherer (Essen) betonte ohne überspitzten Akademismus — und daher sehr wirksam -, daß Weltoffenheit, Freiheit, Verwiesenheit auf Sinn, menschliches Mitsein den Menschen trotz seines evolutiven Gewordenseins auszeichnen und Zeichen eines heuen Prinzips seien: des Geistes. Die Besinnung auf sich selbst (ich bin ich) und auf das Mitsein (Du bist), und darüber hinaus auf das Ganze des Daseins verwiesen ihn in eine Transzendenz, die jedoch nicht vorschnell auf einen Gottesbezug gemünzt würde, sondern erst einmal eine für den Menschen nicht umgehbare Frage darstelle. Er bleibe den großen Unbekannten des Woher (einmal war ich nicht) und Wohin (Unverfügbarkeit der Zukunft) ausgesetzt. t

Die beiden anderen Referenten, der Biologe Joachim Illies (Gießen) und der Psychologe Albert Görres (München) zeigten ungemein lebendig und witzig das allgemeine Mißtrauen auf, das die Menschen heute miteinander ver-i bindet. Gläubige und Ungläubige mißtrauten als gebrannte Kinder Gott, den Religionen und Kirchen, den Institutionen und Wissenschaften. Das versprochene Paradies hätten sie nicht zustande gebracht. Weltuntergangsstimmung durch Kriegsgefahren und Ökologieprobleme beherrschten die Szene. Wie ließe sich das mit einem allmächtigen oder gar allgütigen Gott vereinbaren?

Oberflächliche Glaubensunwil-ligkeit analysierte Görres, um in die wahre Tiefe der Problematik von Glaubwürdigkeit und Glaubensfähigkeit zu führen.

Durch die Skepsis der Wissenschaften sich selbst gegenüber (wie sie beispielhaft Karl Popper darstellt) würden diese — wie Illies ausführte — gezwungen, aus ihrem Methodenkäfig auszubrechen und Ausblicke auf die anderen Dimensionen des Geistes freizubekommen, um seiner „Affenschande” Herr zu werden. Glaube und Wissen würden einander messen, wie es auch am gleichzeitigen Salzburger Symposion ausgeführt wurde, nicht in gegenseitiger Verachtung, vielmehr in neu durchdachter Würdigung.

Höhepunkt, was Publikumswirksamkeit und Zahl der Zuhörer anbelangt, war der einleitende Vortrag des Innsbrucker Bischofs Reinhold Stecher. Er sprach über die innere Beheimatung des Menschen, die entbergenden und bergenden Kräfte. (Die FURCHE kommt darauf zurück.)

In der Diskussion wurde dann noch ein sehr wichtiger Aspekt berührt, der in den Referaten etwas zu kurz gekommen war; der betroffen überfragte Mensch (Karl Rahner nennt ihn so), der Mensch also, der in überhandnehmenden Konflikten des Wissens und Handelns, der in seinem Vertrauen Schiffbruch erlitten hat, daher einer Glaubensunfähigkeit zusteuert, besten Willens keine Antwort findet, aber unentwegt auf der Spur seiner Fragen bleibt.

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