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Vor Befriedung der Magreb-Fronten

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Europas nächstgelegenes Gegenüber in Nordafrika erlebt seit Jahresanfang eine bedeutsame politische Wandlung. An den politisch-militärischen Fronten im Magreb zeichnet sich eine Befriedung ab.

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Europas nächstgelegenes Gegenüber in Nordafrika erlebt seit Jahresanfang eine bedeutsame politische Wandlung. An den politisch-militärischen Fronten im Magreb zeichnet sich eine Befriedung ab.

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Algeriens Streit mit Marokko begann 1963 um den Besitz der Wasserstellen von Hassi Beida; der Konflikt Algiers mit Tunesien drehte sich um die Duldung und Durchschleusung libyscher Putschisten gegen das Bourguiba- regime während der siebziger Jahre.

Schon um diese Jahreswende haben sich die beiden „starken Männer“ Algeriens und Tune-

siens, die Innenminister Moha- med Yalaa und Driss Guiga, mit ihren Stäben abwechselnd im einen und im anderen Land zusammengefunden, um die bilateralen Unstimmigkeiten zu bereinigen; aber auch deshalb, um die weitgehendsten Möglichkeiten echt gutnachbarlicher Zusammenarbeit auf menschlicher und wirtschaftlicher Ebene auszuloten.

Offiziell hieß es, daß dieser Gleichschritt auch Sicherheitsund Militärfragen umfasse. Die „friedliche“ Westgrenze ist für Tunesien geradezu eine Existenzfrage, zumal es dadurch in die Lage versetzt wird, die unruhige Ostgrenze gegenüber Libyen zu überwachen und zu verteidigen.

Zur feierlichen Unterzeichnung eines Vertrages über Freundschaft und Zusammenarbeit ist der algerische Präsident Chadli Benjedid Ende März bei seinem tunesischen Amtskollegen Habib Bourguiba eingetroffen. Beide Politiker verpflichteten sich denn auch, auf ihrem Hoheitsgebiet „Umtriebe zu vereiteln, die gegen die Sicherheit und territo riale Integrität des anderen gerichtet wären, beziehungsweise auf die gewaltsame Änderung des jeweiligen Regierungssystems abzielen würden“.

Die Begegnungen König Hassans II. von Marokko mit dem algerischen Präsidenten Ende Februar im Raume von Oujda sind von den arabischen Medien als „das Ereignis der regionalen Zeitge schichte“ bezeichnet worden. Hauptstreitpunkt zwischen diesen beiden Ländern ist der Westsaharakonflikt:

Als 1975 die POLISARIO-Front ebenso geschaffen worderi war wie die „Demokratische Arabische Sahara-Republik“ (RASD) und Algeriens damaliger Präsident Boumedienne auch noch die politisch-militärische Paten schaft über den West-Saharakrieg gegen Marokko übernahm, wurden die Grenzen zwischen beiden Ländern geschlossen und die diplomatischen Beziehungen abgebrochen.

Chadli ist aber kein Boumedienne. Er verweist die POLISA- RIO-Kämpfer auf die vom Nairobi-Gipfeltreffen der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) 1981 beschlossene Volksabstimmung, hält die Befreiungsbewegung an einer kürzeren Leine, sperrte ihr den Waffen- und Agententransit aus Libyen über die Grenzen von Mali und Niger hinweg und legte es Mauretanien nahe, sich nicht mehr als Aufmarschgebiet der Wüsten-Guer- rilleros zu verdingen.

Seitdem der gemäßigte mauretanische Präsident Ould Dada 1978 (von pro-libysch-algerischen Offizieren) gestürzt worden war und in Tunesien Zuflucht fand, glich der nördliche Teil Mauretaniens im Raume von Bir Moghrein einem Heereslager gegen Marokko. Die Putschversuche überschritten in der Hauptstadt Nouakchott seither das gute halbe Dutzend, aber auch die allgemeine Armut schrie zum Himmel.

Für viele zehntausend bislang politisch düpierte Saharauis in Algerien könnte demnächst die Stunde der friedlichen und ungeschorenen Heimkehr in die West- Sahara schlagen. Bei dieser humanitären Aktion mitzuwirken, wird eine internationale, aber auch eine europäische Aufgabe darstellen. Und die gesamt-ma- grebinische Versöhnung könnte schon demnächst auf einer Gipfelkonferenz in Tunis in feste Bahnen geleitet werden.

Es ist allerdings tragisch, daß überall erst die zunehmende wirtschaftliche Not, die Rückständia- keit des Alltags und die von zügelloser Überbevölkerung herrührende Armut die Politiker zur Besinnung zwingen müßte.

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