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Warum nun auch der Papst?

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Warum der Papst? Die Frage will nicht von den Lippen. In einer Zeit, in der rohe Gewalt zum täglichen Bildschirmgast und Terror zum Stilmittel extrem linker, extrem rechter und schlicht verrückter Politik geworden ist, hat man sich an allzuviel schon gewöhnt.

Aber der Papst als Objekt kalter Mordlust? Der Bote des Friedens als Opfer der Unversöhnlichkeit? Der Barmherzige als Zielscheibe mitleidlosen Hasses?

Man sollte an George Bernard Shaw denken. Er hat einmal das Mordattentat als „äußerste Form der Zensur“ bezeichnet. Was hätte Johannes Paul II. nicht sagen, nicht verkünden, nicht vorleben dürfen? Welche Botschaft sollte zensuriert, verhindert, ausgelöscht werden?

Für einen Verzweifelten, Gebrochenen, ohne Hoffnung Zerstörten hätte ein Mann wie der Papst, der soviel Gewißheit und Zuversicht ausstrahlt, unerträglich sein’ können. Aber nichts deutet bisher darauf hin, daß der Attentäter ein Verzweifelter wäre.

Er gibt sich, so hört und liest man, als kalter gefühl- und erbarmen- und reueloser „Gewissenstäter“. Was aber (oder wer) schlich in diesem sogenannten Gewissen sich ein?

Von der türkischen Terrororganisation her wäre er als „Rechter“ einzustufen. Da er sich selbst zu einer der gewalttätigsten PLO-Fraktionen, jener des George Habasch, bekennt, müßte man ihn als „Linken“ verstehen. Berühren die Extreme einander auch hier?

Kein Zweifel, zwischen linkem und rechtem Terror gibt es viele Verbindungslinien. Auch Neofaschisten basteln Bomben mit Ölgeld aus Libyen und schießen mit russischen Waffen.

Was aber könnte das Motiv der Hintermänner gewesen sein, auf die der stets mit Barmitteln und falschen Pässen ausgestattete Attentäter offenbar bauen konnte?

Zorn über „die Supermächte“ und deren „Aggressionen“ in Afghanistan und El Salvador, wie er selbst andeutet, klingt nicht sehr plausibel. Eine der beiden geographischen Angaben könnte Tarnung sein. Ein Doppelziel dieser Art dürfte nur schwerlich Financiers finden.

Oder war es tatsächlich „atavistischer Urhaß gegen das Abendland“, das Ali Agca im Papst verkörpert sah? Dann müßte man nach außereuropäischen Interessenten forschen.

Der Islam? Ganz gewiß nicht irgendeiner seiner ernstzunehmenden geistlichen Führer. Ihre Mitschuld auch nur für möglich zu halten, wäre genauso skandalös wie jede Stimmungsmache etwa gegen türkische Gastarbeiter.

Faktum ist freilich, daß in manchen Ländern der christlich/islamische Wettstreit um Seelen in keiner Weise die Würde des Dialogs der obersten Religionsführer widerspiegelt. Da gibt es ein beträchtliches Haßreservoir.

Es kann aber auch sein, daß den Täter wohl eines der genannten oder ein anderes Motiv beseelte, während seine Hintermänner ganz andere Interessen im Auge hatten. Der Papst aus Polen ist vielen ein Ärgernis, Hindernis auch. Nicht alle Genesungswünsche, die derzeit nach Rom flattern, können gleich ehrlich gemeint sein.

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