7002415-1987_30_03.jpg
Digital In Arbeit

„Zutiefst unchristlich … “

Werbung
Werbung
Werbung

Die österreichischen Bischöfe beobachten die jüngsten Manifestationen eines offenbar latenten Antisemitismus in Österreich mit tiefem Bedauern und ernster Sorge. Gewiß, dieses Wiederaufleben des Antisemitismus geht auf das Konto einer — hoffentlich verschwindenden — Minderheit von Österreichern. Aber auch eine kleine

Minderheit kann eine große Schuld auf sich laden.

Angesichts des unsagbaren Leides, das der Nationalsozialismus über Millionen Menschen jüdischen Glaubens und jüdischer Herkunft gebracht hat, darf niemand in unserem Land dieses Alarmsignal überhören. In Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern wende ich mich als Vorsitzender der österreichischen Bischofskonferenz mit allem Nachdruck gegen das Unrecht, das ihnen durch pauschalierende Vorwürfe und Polemiken, ja sogar persönliche Anpöbelungen angetan wird.

Ich tue dies in der selben Entschiedenheit, mit der die österreichischen Bischöfe erst vor kurzem jenen pauschalierenden Vorwürfen entgegengetreten sind, die ohne Beweis gegen den österreichischen Bundespräsidenten Dr. Kurt Waldheim vorgebracht werden.

Feindseligkeit oder gar Haß gegenüber dem Juden tum widersprechen zutiefst dem christlichen Verständnis von der Personenwürde jedes Menschen. Keine Form des Antisemitismus darf sich auch nur im geringsten auf christliche Motive berufen. Gerade in den vergangenen Jahrzehnten hat die katholische Kirche unseres Landes zahlreiche, auch international beispielgebende Initiativen gesetzt, um einem vertieften christlichen Verständnis für die Werte des Judentums und einer brüderlichen Begegnung zwischen Christen und Juden den Weg zu bahnen. Diese Bemühungen fanden entscheidenden Rückhalt in den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils und in den Aussagen und Gesten der Päpste, vor allem auch von Papst Johannes Paul II.

Das Konzil, die Päpste und die Kirche in Österreich waren und sind sich dabei auch der Schuld bewußt, die Christen im Verlauf der Geschichte gegenüber Juden auf sich geladen haben.

Davon ausgehend lade ich unsere jüdischen Mitbürger ein, mit den österreichischen Christen, auch mit uns Bischöfen, gemeinsam dem Antisemitismus entgegenzutreten. Je mehr Juden und Christen in der Zurückweisung einer so verhängnisvollen Geisteshaltung und in der Absage an jeden Haß einig sind, desto weniger Nährboden wird der Antisemitismus in Österreich finden.

Erklärung des Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz vom 17. Juli 1987.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung