Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Das Bild der Frau
Welt und Menschheit stehen heute in einer Situation des Umbruchs, so total, daß die vergangenen Epochen im Vergleich zur anbrechenden in eine einzige zusammenfallen. „Es beginnt die Epoche, in der der Mensch sich in einem früher unvorstellbaren Maße aus der Gebundenheit und der schützenden Hut der Natur, der gewachsenen und nicht gemachten Verhältnisse emanzipiert. Die Natur aber, das heißt, der heilsame Zwang des Unvermeidlichen, der Heimat, der Gesetze des Leibes, der Eigenschaften der von der Natur selbst gelieferten Stoffe usw. schützten den Menschen vor sich selbst“ (Karl Rahner: „Sendung und Gnade“). Es verwundert nicht, daß dieser Vorgang begleitet ist von einer Krise des Überkommenen, der Gesellschaft, nicht zuletzt aber des menschlichen Selbstverständnisses. Auf dieser Linie liegt die vielerörterte Besinnung des Laien auf seine Rolle in der Kirche, auf sein Kirchesein. Auf ihr liegen aber auch alle Bemühungen, das Bild der Frau heute, ihre Rolle in der Welt, der Gesellschaft, der Kirche neu zu durchdenken.
„Bild“ meint hier die — im ursprünglichen, nicht im platt konformistischen Wortsinn — „zeitgemäße“ Ausformung des Wesens, das ja letztlich nie als „Reinform“, sondern immer als in einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Umweltsbedingungen verkörpert, konkretisiert auftritt. Wollte man sagen, was das Wesen der Frau, des Menschen ist, so käme man dabei bald an die Grenze des Aussagbaren, das Wesen des Menschen mündet im Geheimnis. Sein Bild aber ist der ständige Versuch, in jeder Zeit dieses letztlich durch keine Definition ganz einholbare Wesen möglichst vollständig auszufalten.
Die ewige Frau ist nicht ewig
Man könnte Rahners Feststellung von der Entfernung des Menschen von der Natur abwandelnd sagen, die Frau entferne sich heute mit ihrem Eintritt in das wirtschaftliche, wissenschaftliche, politische Leben, in die einstige „Welt des Mannes“, von ihrer einst mit geradezu natürlicher Selbstverständlichkeit vertretenen ausschließlichen Zuordnung zu Familie, Muttersein und Verborgenheit. Das traditionell-christliche Frauenbild, wie es etwa Gertrud von Le Fort in der „Ewigen Frau“ vertritt, ist für sie vielfach nicht mehr lebbar. Dieses Frauenideal steht unter dem Symbol des Schleiers, des Schweigens. Nach ihm ist die Frau nicht geschichtsmächtig, ihre Kraft gibt sie nicht aus im Werk wie der Mann, sondern ihre Kraft gibt sie in die kommende Generation weiter. Der Begriff der Persönlichkeit ist allein dem Mann zugeordnet, der Frau eignet das Allgemeine. Ist sie unverheiratet, so ist ihr zwar Wesentliches versagt, „sie erscheint am Rande des Ge-
heimnisses alles scheinbar Vergeudeten und Unerfüllten ... ja scheinbar Mißlungenen“. Hier nun aber sei sie aufgerufen, „den letzten Wertsinn' der Person in ihrer scheinbar ganz wertlosen Existenz zu erbringen“. Ist sie zur Berufsarbeit gezwungen, so steht ihr auch hier eher das Mitwirken zu den Schöpfungen de Mannes als das selbständige W zu, da sie selbst als Befähigte zur Leistung zumeist hinter dem Mann an zweiter Stelle zurückbleibt. Der Beitrag der Frau zur Leistung des Mannes an und in der Welt bleibt indirekt, tritt nicht selbständig in Erscheinung.
Gertrud von Le Fort selbst erkannte und bekannte im Vorwort zur Neuauflage der „Ewigen Frau“ 1960: „Die heutige Frau ist weithin nicht mehr diejenige, welche dieses Buch meint.“ Ein bis ins Letzte am Le Fort'schen Frauenideal Festhaltenwollen aber muß zu einer Verketzerung des Neuen führen, das mit all seinen Fehlformen doch positive Möglichkeiten bietet und in dem sich das Wesen der Frau ebenso echt offenbaren kann.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!