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Liturgie der Heilsgeschichte

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In Vagagginis Werk, des Professors von San Anselme der römischen Benediktineruniversität, empfängt die liturgische Bewegung ihre abschließende und echt römisch geklärte Form — nachdem ie im belgischen Maredsous durch den großen Abt Gueranger ihren Ursprung hatte, in zeitlicher Nähe zur Romantik, die ebenfalls, gegen Aufklärung und Rationalismus, die „Ursprünge“ suchte. Während die Dominikaner des Sammelwerkes „Katholische Glaubenswelt“ die Liturgie nicht recht als „Locus theologicus“ anerkennen wollen, folgt Vagaggini dem Grundsatz Coelestins I. (422—432), „ut legem credendi lex sta-tuat supplicandi“, d. h., daß in der Gesamtheit des kirchlichen Kults das echte „Gesetz des Glaubens“ sich kundtue. Liturgie ist für ihn d i e Form der Offenbarung als „Geschichte“ zwischen Vergangenheit und Zukunft, als „erster und wesentlicher Weg, auf dem in der Zeit zwischen Pfingsten und Parusie die Heilsgeschichte, das Mysterium Christi und der Kirche sich erfüllt“ (27), gewiß in einer sinnesgemäßen „Zeichenwelt“ (30 ff.), in der aber das Übersinnliche einer „kultischen Begegnung“ zwischen Gott und Mensch sich vollzieht (325), und so, daß alle „Gegenwart“ im liturgischen Geschehen dynamischer „Augenblick“ ist als „Endpunkt det vergangenen und Ausgangspunkt der künftigen Heilsgeschichte“ (451). Alles christlich Religiöse, das vorn Alten zum Neuen Bund personale Begegnung zwischen souverän personalem Gott und frei erwähltem Menschen ist (also weder ein Sicbhinaufekstatisieren einer ..Vergeistigung“ noch eine innere Korrelation zwischen dem Menschen als „Ich“ und Gott als „Du“) — diese Grundbegegnumg in „Distanz in Nähe“ und „Nähe in Distanz“ ist „höchste Begegnung“ im Gesamt der je lebendigen Liturgie, in der „Heiligung“ von Gott aus und „Kult der Kirche“ in „Huldigung“ vom Menschen aus (451) ineinanderschlagen. — Damit greift Vagaggini wieder auf Abt Gueranger zurück, der die Liturgie im echten Geist einer das Geschichtliche neu sichtenden Romantik, wesenhaft als „Geschichte“ sah, wie es dem wesenhaft Geschichtlichen vom Alten und Neuen Bund notwendig entspricht. Damit aber fällt von selbst die Mysterientheorie Odo Casels und Ildefons Herwegens (wie Vagaggini es selbst ausspricht; 23. Anm.): Weil diese Theorie nicht nur Erbgut von Reitzenstein und Harnack her ist (die das Christliche vom antiken Mysterienwesen her zu deuten suchen), sondern vor allem, weil in ihr an Stelle der Zentralität des Geschichtlichen in der Liturgie der einfache Überstieg geschieht in ein geschichtsfrei „Pneumatisches“ (wie Ildefons Herwegen zuletzt folgerichtig auf den Alexandrinismus des östlichen Mönchtums als christlichen Prototyps zurückgriff: als Weise ent-geschichtlichender Pneumatisierung). Es entfällt aber auch die zweite der in Deutschland herrschenden Liturgietheorien: Romano Guardinis Theorie der Liturgie als musischen „Spiels“. Dieser Ästhetisierung einer Liturgie, in der Tod und Auferstehung, Kreuz und Glorie das ungeheuerliche Mysterium des „erlösenden Austausches“ zwischen heiligem Gott und sündigem Menschen nicht nur „sind“, sondern „heute“ und „jetzt“ „je präsent“ sind — diesem neutralisierenden Ästhetizismus tritt unerbittlich das real Geschichtliche der Liturgie entgegen, wie Vagaggini ungescheut den „Kampf gegen Satan“ realistisch in einer realistischen Liturgie aufdeckt.

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