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Kirche in einer „weltlichen Welt“
DIE NEUE LITURGISCHE GEMEINDE. Von Giselbert Deinen. Knecht-Verlag, 120 Selten.
DIE NEUE LITURGISCHE GEMEINDE. Von Giselbert Deinen. Knecht-Verlag, 120 Selten.
Nachdem die Liturgiekonstitution als erstes Dokument des II. Vatikanischen Konzils promulgiert wurde, schien es so, als würde die gesamte Liturgieemeuerung in eine großangelegte Reform vormittelalterlicher oder urkirchlichar Zustände hinauslaufen. Das Feld der Liturgiereform war und ist hauptsächlich von hiturgiehistcrikern bestimmt. Auf die eigentliche Aufgabe der Liturgiereform wies aber spätestens R. Guar- dind in seinem Brief an den Dritten Liturgischen Kongreß in Mainz hin, in dem er die fast verzweifelte Frage nach der grundsätzlichen Liturgiefähigkeit des heutigen Menschen stellte. Diese Frage greift der Verfasser des vorliegenden Buches auf. Er bestimmt dabei die Bildhaftigkeit und dein Gemeinschaftscharakter als die bleibend en Wesenelemente der Liturgie, wobei es vor allem um den eucharistischen Gottesdienst geht. Gleichsam als Antipode zeigt er in einer komprimierten Anallyse der Gegenwartssituation den Symbol- (Rationalismus, Pragmatismus, operationales Denken) und den Gemeinschaftsverlust (in den Formen des Individualismus und Kollektivismus) in der gegenwärtigen Gesellschaft auf.
Von dieser paradoxen Situation ausgehend, versucht G. Deussen Formen und Wege aufzuzeigen, die die erneuernde Kraft des echiten Symbols und der Gemeinschaft verwirklichen. In diesem ausführenden Teil ist sein Werk weithin Kompilation des theologischen Denkens der Gegenwart, zugespitzt auf seine spezifische Fragestellung. Wie schnell aber in der heutigen Situation ein interpretativ-theologischer Ansatz von den fortschreitenden menschlichen Möglichkeiten überholt wird, zeigt — in methodisch für die Theologie höchst bedeutsamer Weise — die „Theologie des Herzens“, als dem unverwechselbaren Zentrum der menschlichen Individualität dm Anschluß an K. Rahner, in Konfrontation mit den Herztransplantationen, die wir heute allerorten erleben.
In einem letzten Abschnitt geht der Verfasser unter dem Titel „Liturgie in dieser Weltzeit“ auf die notwendig höchst „profane“ Form heute geforderten liturgischen Handelns edn. Diese spaltet das Leben des Christen nicht in eine „sakral-liturgische“ und „profan-menschliche“ Existenz auf, sondern sieht im liturgischen Tun das höchste menschliche Tun in Gemeinschaft und Bildhaftig- kedt, in seiner Erfüllung im Gedächtnis an das „Maß aller Menschlichkeit“, Jesus Christus. Abschließend gibt Deussen einen informativen Überblick über heute schon praktizierte Formen „,erneuerter Liturgie“.
In diesem Zusammenhang tomert er audi „keine Angst vor Experimenten“, weil sich aus der Fülle experimentellen Tuns gültige Formen für Gegenwart und Zukunft herauskristallisieren können. Die — vielleicht unbehebbare — Schwierigkeit liegt darin, daß das deutlich skizzierte Paradox zwischen Gegenwartssituation und den Erfordernissen der Liturgie nicht gelöst ist. Dies weist aber darauf hin, daß die Frage der Liturgie nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern — in extremer Zuspitzung — die Frage nach christlicher und kirchlicher Existenz in einer „weltlichen Welt“ ist.
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