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RÖMISCHE WENDE

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Der italienische Film hat den Wettbewerb, den ihm zeitweise das Vordringen des Fernsehens machte, überwunden. Die Statistik meldete als Höchstzahl der Einnahmen aus Kinobesuchen 116 Milliarden Lire für das Jahr 1955. Darnach kam die lange Krise der folgenden Jahre mit einer rückläufigen Entwicklung bis etwa Ende 1958, der sich dann der Wiederanstieg mit dem bisherigen Gipfelpunkt von 121 Milliarden Lire 1960 anschloß. Nach italienischen Angaben nimmt das Land im „Filmkonsum" gegenwärtig die erste Stelle in Europa ein. Dies soll auch für die Filmproduktion der letzten Jahre gelten. Die Vergleichszahlen der Filmherstellung in den beiden ersten Semestern 1960 Und 1961 sind 71 bzw. 94 Langfilme. Auch hier ein bedeutender Fortschritt!

A uffallend ist das Bestreben fast aller Filmproduzenten, nun- mehr unablässig an der Verbesserung der Qualität zu arbeiten. Die minderwertigen, zumindest anspruchslosen Filme treten hinter den künstlerisch und darstellerisch wertvollen zurück. Wertvoll in der Thematik, wo das Problematische an Raum gewinnt, gestrafft in der Stoffabwicklung und oft verschwenderisch in der Ausstattung! Es sind die Bildstreifen, die schon in der Vergangenheit das feste Rückgrat der Filmindustrie zu bilden suchten und die ihren guten Ruf in die Länder der ganzen Welt trugen. Mit einem Unterschied freilich: Die Auswahl der Stoffe hat sich, nach den wiederholten Eingriffen der Filmzensur und der Justiz, zum Besseren gewandelt, wenn auch, wie nicht anders möglich, nach Kräften die Geschmacksforderungen des breiten, alle Volksschichten und besonders die jüngeren, umfassenden Publikums berücksichtigt werden.

Insofern hat die zeitweise Konkurrenz des Fernsehens einen heilsamen Einfluß ausgeübt. Nun sucht der Film des Kinos sich vom Bildschirm des Fernsehens mehr und mehr zu distanzieren. Dies geschieht nicht nur mit den Mitteln der Technik (u. a. große Bildfläche und Farbfilm), sondern auch mit der gegen früher andersartigen Abwicklung der Themen, die mit dem Herkömmlichen bricht. Überhaupt dürfte künftig die mit großen Geldmitteln ausgestattete Herstellung von sogenannten „Spektakularfilmen“ die Zukunft dieser Industrie mitbestimmen. Ein Beispiel bot der vielumstrittene Fellini-Film „La dolce vita“. Es handelt sich unter anderem um solche Erzeugnisse, die dank der sicher erwarteten Auslandsnachfrage die sonst schwer tragbaren Risken der Hersteller erheblich herabmindern sollen. Erfahrungen des letzten Jahres geben zuverlässige Anhaltspunkte: 1960 kassierte die italienische Filmwirtschaft vom Ausland 21 Milliarden Lire netto an Lizenzansprüchen ein. während der gesamte Inlandabsatz nur 14 Milliarden Lire erbrachte.

Die Wende im italienischen Filmwesen ist unverkennbar. Sie drückt sich in besserer Qualität aus, wachsender Quantität in der Zahl der Bildstreifen und in der anspruchsvolleren, das Monumentale streifenden Ausstattung. Das erwartete Steigen des Auslandsbedarfes an italienischen Filmen soll in erster Linie die steigenden Risken decken helfen. Anderseits werden Einsparungen bei der Herstellung, besonders der Abbau der übertrieben hohen Stargagen, angestrebt. In Italien ist das Reservoir von qualifizierten Nachwuchskräften nahezu unerschöpflich.

Eine Wende dürfte aber auch von einer anderen Seite kommen, wenn auch nicht unbedingt eine Wende zum Besseren. Am Ende dieses Jahres wird nämlich das geltende System der staatlichen Subventionen hinfällig. Es bestand darin, daß die italienischen Langspielfilme vom Staat mit einem Zuschuß von 16 Prozent der Bruttoeinnahmen ausgestattet wurden. Dieser „Protektionismus“ ist aber unvereinbar mit den Grundsätzen des „Gemeinsamen Marktes“ geworden.

Gleichzeitig ist ein neues Gesetz für die Filmherstellung zu erwarten. Schon lange dauert der Zustand der Ungewißheit an.

Er hat zu manchen Unsicherheiten und Schädigungen geführt. Auch steuerliche Erleichterungen dürften sich nach Fortfall der Subventionen als notwendig erweisen. In erster Linie aber tut die gesetzliche Regelung not, die vor allem mit den vielfältigen, die Herstellung ungemein erschwerenden staatlichen Interventionen aufzuräumen hätte.

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