7084010-1994_09_04.jpg
Digital In Arbeit

Wir brauchen breite Koahtion

19451960198020002020

Minister treten zurück, Meciars HZDS hat längst die Parlamentsmehrheit verloren. Wohin steuert die junge Slowakei? Präsident Michal Kovac fordert ein größeres Maß an Kooperationsbereitschaft.

19451960198020002020

Minister treten zurück, Meciars HZDS hat längst die Parlamentsmehrheit verloren. Wohin steuert die junge Slowakei? Präsident Michal Kovac fordert ein größeres Maß an Kooperationsbereitschaft.

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFLRCHE: Herr Präsident, handelt es sich in der Slowakei um eine Staatskrise, wie in österreichischen Medien vermutet wurde, oder um eine normale Regierungskrise? PRÄSIDENT MICHAL KOVAC: ES handelt sich in diesem Fall um eine politische Krise, in die eine Regierungskrise eingeschlossen ist. Die Regierung hat die Parlamentsmehrheit verloren. Mir scheint, daß es nicht um einen politischen Kampf geht, der zu einer anderen Orientierung der Slowakei führen soll; als derjenigen, die jetzt gilt. Der Streitpunkt ist also nicht die Ausrichtung der Slowakei oder die Frage, ob die Slowakische Republik in westeuropäische und andere Strukturen eingegliedert werden soll. Kein Streitpunkt ist auch die Frage, ob der Privatisierungsprozeß beschleunigt werden soll. Der eigentliche Streitpunkt ist mehr die Bestrebung von anderen Parteien, einen Teil der exekutiven Macht zu erhalten, sich daran zu beteiligen. Von Anfang an hat sich das Bedürfnis gezeigt, die Regierung auf eine breitere Koalitionsbasis zu stellen. Denn was die Slowakei heute lösen muß, sind historische Aufgaben.

Die Tatsache, daß es nicht dazu kam, liegt meiner Meinung nach nicht in der Inkompatibilität der Programme der Parteien, an den Zielen, die sie verfolgen, sondern im Unwillen oder in der Unfähigkeit einzelner zusammenzuarbeiten.

DIEFURCHE: ES handelt sich also um ein Problem von desintegrativen politischen Persönlichkeiten? KovAC: Ich würde sagen ja. Die poh-tischen Persönlichkeiten haben zu wenig Willen gezeigt, zu kooperieren und Vertrauen zu schaffen. Vielleicht haben sie auch nicht die Fähigkeit dazu.

DIEFURCHE- Die HZDS von Premier Meciar hat bei den Wahlen das größte Vertrauen der Bevölkerung ausgesprochen bekommen. Die Mehrheit setzt auf den HZDS-Chef Wo steht heute der Präsident’ KoVAC: Es ist wirklich schwierig, in-tegrativ zu wirken. Der Präsident würde sich freuen, wenn man der Welt zeigen könnte, daß die politischen Subjekte fähig sind zusammenzuarbeiten, wenn es um die Interessen der Slowakei geht. In Österreich ist es möglich, daß eine linke und eine rechte Partei zusammenarbeiten und gemeinsam in der Regierung sind.

DIEFURCHE: Denken Sie an eine Vermittlungstätigkeit?

KoVAC: Bis jetzt bin ich noch nicht dazu gebeten worden. Eine Parlamentssitzung wird es erst im März geben. Ich hatte am 24. Februar ein Gespräch mit dem Parlamentspräsidenten und er hat den Tagungstermin noch nicht festgelegt. Solange die Abgeordneten keine außerordentliche Sitzung verlangen, wird die nächste Tagung nicht vor dem 9. März stattfinden. Und bis dahin besteht die Möglichkeit der Repräsentanten der Koalition und der Opposition, Gespräche zu führen und Lösungen zu suchen, die den Interessen der Slowakei am besten entsprechen.

DIEFURCHE- Wie wird es nach dem Rücktrittsgesuch von Außenminister Moravcik weitergehen? KoVAC: Ich habe die Demission noch nicht angenommen. Ich muß mit dem Ministerpräsidenten jetzt nach seiner Rückkehr aus China darüber sprechen, daß er mir Vorschläge für den Posten des Privatisierungsministers unterbreitet, weil auch dieser Posten nach wie vor unbesetzt ist. Mit der Führung desMinisteriums habe ich vorläufig den Premier betraut. Ich beharre darauf, daß man dort einen neuen Minister ernennt.

Genauso möchte ich mit Herrn Meciar über Kandidaten für das Amt des Außenministers sprechen. Persönlich habe ich keinen Vorschlag; aber die vom Ministerpräsidenten bisher unterbreiteten Vorschläge, habe ich nicht akzeptiert. Wir müssen über neue Vorscnläge sprechen.

DIEFURCHE: Zu einem anderen innenpolitisch brisanten Thema: wie beurteilen Sie die Lage er imgarischen Minderheit in der SlowakeP KoVAC: Das Verhalten der Regierung zu den Minderheiten - ob deutsche, ungarische, ruthenische, ukrainische - ist genauso wie zu den Slowaken.

Eine andere Sache ist, daß die zwei Parlamentsparteien der ungarischen Minderheit Forderungen erhoben haben, die die Regierung abgelehnt hat. Denn vor allem die Forderung nach Gebietsautonomie könnte zu einer Separation des ungarischen Teils der Slowakei führen. Das stünde aber im Widerspruch zum Prinzip, zu dem sich die meisten europäischen Länder bekennen, das auch in Wien bei der Europaratstagung vergangenes Jahr akzeptiert vrarde: man hat sich nicht für die Erweiterung der kollektiven Rechte von Minderheiten, sondern für eine Ausweitung der individuellen Rechte entschieden. Die slowakische Regierung bekennt sich dazu.

DIEFURCHE: Der slowenische Ex-Botschafter in Wien, Rudolf Filkus, und der Parteichef der Reformkommunisten Peter Weiß haben die Regierung kritisiert und gemeint, man hätte viel großzügiger und toleranter mit dem Namensrecht und beim Ortstafelstreit vorgehen müssen.

KovAC: Damit bin ich einverstanden. Ich habe diese Meinung mehrmals öffentlich vertreten. Gleichzeitig habe ich aber darauf hingewiesen, daß auch die ungarischen Abgeordneten im Palament einen Beitrag dazu leisten müssen, eine Atmosphäre zu schaffen, um entsprechende Gesetze verabschieden zu könen. Sie dürfen keine ultimativen und radikalen Forderungen, sondern müssen sich dem friedlichen Dialog stellen.

Wenn sie aber die ungarische Regierung aus Budapest zu f lilfe rufen, wenn sie sich beim Europarat beschweren und nicht die hiesigen Möglichkeiten nutzen, wird die Atmosphäre vergiftet. DIEFURCHE: Haben Sie den Eindruck, daß Ungarn eine Art Schutzmachtrolle gegenüber den slowakischen Magyaren spielen möchte? KoVAC: Ja, sicherlich. Es gibt politische Kräfte’in Ungarn, die offen darüber sprechen. Das kann unter bestimmten Umständen als Eingreifen in die inneren Angelegenheiten verstanden werden. Wir unterstreichen ständig die Notwendigkeit, eine Minderheitencharta im Europarat zu schaffen und sind auch bereit, diese zu respektieren.

DIEFURCHE: Könnte dieser Konflikt potentiell zu einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Ungarn und der Slowakei führen^ KoVAC: Ein entschiedenes Nein. Nicht nur deswegen, weil das mein Wunsch ist, sondern deswegen, weil ich die wirkliche Position der ungarischen Minderheit kenne. Ich bin nicht überzeugt, daß es dort ein so hohes Maß an Unzufriedenheit gibt, wie es sich in der politischen Propaganda widerspiegelt.

DIEFURCHE: Und Gabčikovo? KoVAC: Diese Frage wurde dem internationalen Gerichtshof in den Haag unterbreitet. Eine Sonderkommission der EU hat ein bestimmtes Wasserregime vorgeschlagen, das unsere Regierung bezüglich der Wassermenge, die in den Ältarm der Donau geleitete werden soll, abändern möchte. Denn wenn die acht Turbinen im Donaukraftwerk laufen sollen, genügen 60 Prozent der Wassermenge nicht. Bilologisch hat sich gezeigt, daß im ehemaligen Flußbett auch weniger als die verlangten 40 Prozent der Gesamtwassermenge genügen würden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung