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„Da gibt's sicher einen Mords wir bei”

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Gestern, Mittwoch, fand im Bundeskanzleramt die Entsendung der österreichischen Delegation zur 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking (nächste Woche ausführlich im FURCHE-Dossier; siehe diese Ausgabe auch Seite 4) durch Frauenministerin Helga Konrad statt.

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Gestern, Mittwoch, fand im Bundeskanzleramt die Entsendung der österreichischen Delegation zur 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Peking (nächste Woche ausführlich im FURCHE-Dossier; siehe diese Ausgabe auch Seite 4) durch Frauenministerin Helga Konrad statt.

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Die österreichische Regierungsdelegation besteht aus einer 20köpfigen Frauschaft, der auch vier Vertreterinnen von sogenannten Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) - Christa Esterhazy von der Katholischen Frauenbewegung, Gertrude Gugenberger vom Osterreichischen Informationsdienst für Entwicklungshilfe, Rosa Logar vom Verein Aktionsgemeinschaft der autonomen österreichischen Frauenhäuser und Irmgard Schmidtleithner, ÖGR-Vizepräsidentin und Frauen-Vorsitzende, angehören.

Die NGOs in Österreich haben sich zu einer Plattform für Peking zusammengeschlossen, um sich inhaltlich und organisatorisch besser auf die vom 4. bis 15. September stattfindende Weltfrauenkonferenz beziehungsweise auf das parallel dazu im 50 Kilometer von Peking entfernten Huairou laufende Forum der Nichtregierungsorganisationen (vom 30. August bis 8. September) vorbereiten zu können. Eine der Teilnehmerinnen an diesem NGO-Forum, für das 36.000 Frauen um Teilnahme angesucht haben - was seitens der chinesischen Behörden großen Schikanen ausgesetzt war - ist Sylvia Hordosch von der Aktionsgruppe Frauen von amnesty international. Nur zwei Österreicherinnen haben bis jetzt ihr Visum für China noch nicht bekommen, „was vielleicht darauf zurück-zufüren ist, daß sie auf der Liste von Australien stehen”, meint Sylvia Hordosch. Sie weist darauf hin, daß Österreichs Frauenvertreterinnen beim NGO-Forum privilegiert seien, beispielsweise gegenüber Frauen aus Afrika oder Lateinamerika. „Wir haben die notwendige Infrastruktur, um gut miteinander kommunizieren zu können. Wir können jederzeit in New York oder in China anrufen. Was ich fürchte ist, daß Frauen aus Afrika oder Lateinamerika die größten Schwierigkeiten haben werden, um nach Peking zu kommen. Haben die rechtzeitig erfahren, daß sie sich noch einmal neu fürs Hotel anmelden müssen? Wenn sie das nicht gemacht haben, kriegen sie keine Bestätigung, kriegen sie kein Visum. Also so gesehen glaube ich schon, daß Frauen ausgeschlossen werden; nicht daß man sagt, ihr dürft nicht hin, sondern halt aus irgendwelchen formellen Gründen.”

Die 4. UN-Weltfrauenkonferenz ist die erste große Konferenz, die in Peking stattfindet, für China zweifellos eine Prestigesache. Nach der ersten Euphorie hat das Begime wohl Kopfweh bekommen. Ursprünglich sollten etwa 20.000 NGO-Vertreter kommen, das war ausgemacht. Dann haben sich aber 36.000 - fast die doppelte Anzahl - angemeldet. Sylvia Hordosch: „Die chinesischen Behörden haben wahrscheinlich geglaubt, da werden Frauen kommen, die über Frauen und Bildung, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und solche Themen reden werden. Sie haben sicherlich unterschätzt, daß da ein Haufen sehr engagierter, sehr lautstarker Frauen anreisen wird.” Daher die Versuche, über formelle Dinge wie Visaerteilung nur mit Bestätigung der Anmeldung und Hotelreservierung (deren Bestätigung erst ab Ende Juli postalisch, nicht per Fax versandt wurde) die Teilnehmerzahl zu beschränken. Daher auch die Verlagerung des NGO-Forums von Peking nach Huairou, von wo zwar ein Shuttlebusdienst nach Peking eingerichtet wurde, womit man sich doch aber die Masse der Frauen vom Leibe halten konnte. „Bei 36.000 NGO-Teilnehmerinnen - ob alle ein Visum erhalten werden, ist fraglich - gibt's sicherlich einen Mordswirbel, hat man wohl gedacht, die muß man irgendwie ausgrenzen, dann können sie die armen Chinesen nicht verderben oder auf dumme Gedanken bringen”, sinniert Sylvia Hordosch über mögliche Motive.

Um den NGO-Teilnehmerinnen das Leben in China zu erleichtern, hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine Broschüre mit den wichtigsten Sicherheitsvorkehrungen und Informationen über die Bechtslage in China beztüglich öl* fentlicher Versammlungen und Demonstrationen herausgegeben. Man möchte verhindern, daß Frauen in Schwierigkeiten kommen. „Es sind in China ja schon Leute wegen konterrevolutionärer Propaganda verhaftet worden, weil sie.bedruckte T-Shirts getragen haben”, so Sylvia Hordosch über die Notwendigkeit einer solchen Vorinformation. In Huairou wollen sich die NGO-Frauen keinen Maulkorb umhängen lassen. Man will die Gelegenheit nutzen, Gruppen, die in der chinesischen Demokratiebewegung tätig sind, den Bücken zu stärken. Sorge hat man, ob man mit den eigenen Aktivitäten den teilnehmenden Chinesinnen vielleicht mehr schadet als nützt. Die mitgebrachten Flugblätter, Broschüren, Berichte -eine englische Frauenorganisation hat aufgefordert, Tücher und Banner mitzubringen, um ein 20 Kilometer langes Tuch herzustellen - könnten allerdings den NGO-Frauen schon an der Grenze abgenommen werden, obwohl es geheißen habe, man dürfe Materialien mitnehmen. „Aber was passiert nach der Konferenz, wenn Chinesinnen mit derartigem Material erwischt werden?” fragt Hordosch.

„Ich glaube, wir müssen bei unseren Veranstaltungen schon vorsichtig sein und überlegen, welche Auswirkungen das hat. Wir gehen ja nach drei Wochen, aber was passiert denn mit diesen Frauen, die mit Ausländerinnen Kontakt hatten und dann deswegen als feindselig betrachtet werden?”

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