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Rasha ist stinksauer: All das, was in letzter Zeit mühsam aufgebaut wurde, haben israelische Bomben zerstört - und sie ist es leid, sich Tag und Nacht vor dem Tod zu fürchten.

Post aus dem bombardierten Beirut: Angela Godfrey-Goldstein, eine israelische Friedensaktivistin, hat ein E-Mail ihrer 37-jährigen palästinensisch-libanesischen Freundin Rasha an die Furche weitergeleitet: "An Euch alle", schreibt Rasha; sie sitzt in einem Café in West-Beirut, der Strom ist ausgefallen, deswegen knattern Dieselgeneratoren, und "böse Erinnerungen an die Kriegsjahre werden wach". Die "französisch-und englischsprachige Bourgeoisie ist in die christlichen Berge geflüchtet", schreibt sie, die Saudis, Kuwaitis und anderen Golfstaatler außer Landes - der Kontrast zwischen deren Panik und dem Trotz der Beiruter, die nirgends anders hingehen können, war "beinahe lustig".

Rasha ist der Trotz vergangen: "Wozu noch, wofür noch - in mir ist kein Kampfeswille mehr." Sie ist nur "stinksauer", denn niemand kann erahnen, wie schwer ihnen der Wiederaufbau des Libanons nach dem Bürgerkrieg gefallen ist: "Jede einzelne Brücke, jeden Tunnel, jede Autobahn, jede Flughafenzufahrt haben wir im Schweiße unseres Angesichts gebaut" - und jetzt ist alles zerbombt, zerstört.

"Verhältnismäßigkeit der Gewalt" lautet das Stichwort unter dem Rashas Frustration nicht nur in Beirut, sondern weltweit diskutiert wird: Ist es gerechtfertigt, wenn nach der Entführung von zwei israelischen Soldaten durch die radikalislamische Hisbollah-Miliz, die mit diesen zwei Geiseln ihre Waffenbrüder aus israelischen Gefängnissen freizupressen versucht, der Staat Israel den Staat Libanon in Schutt und Asche legt? Libanon und Hisbollah sind derartig verwoben, dass ein Angreifer da nicht unterscheiden kann, lautet ein Pro-Israel-Dreinhau-Argument. Und die libanesische Regierung hat der (in dieser Regierung sitzenden) Hisbollah im Süden des Landes, an der Grenze zu Israel, völlige Handlungsfreiheit gelassen - das wird als weiterer Beleg für die Unvermeidlichkeit exzessiver Gewalt genannt - außerdem soll den Hisbollah-Kämpfern und vor allem ihrem schweren Kriegsgerät bei der erwarteten israelischen Bodeninvasion der Fluchtweg in den Norden abgeschnitten werden.

Klingt plausibel, hat auch für einen Nicht-Militärstrategen eine gewisse Logik - andererseits: Wie wird wohl Rasha auf ein Antwort-E-Mail mit diesen Argumenten reagieren? Sie wird daran erinnern, dass sich die Hisbollah-Miliz 1982, nach dem letzten israelischen Einmarsch in den Libanon und als Antwort auf diesen, gegründet hat. Und sie wird die Frage anschließen, ob die israelischen Politiker und Militärs allen Ernstes glauben, sie könnten ein Problem, dass durch ihren Militäreinsatz erst entstanden ist, durch die Wiederholung und Intensivierung derselben Gewalt wieder aus der Welt schaffen? Doch auch wenn Rasha in Beirut keine Antwort auf ihre Frage bekommt - die Israelis glauben es selber nicht! Chaim Javin, Israels ältester tv-Nachrichtensprecher hat schon zu Beginn der israelischen Bombardements, in seiner Sendung gesagt: "Ich denke, letztlich werden wir doch wieder Gefangene freilassen." Und sein Gesprächspartner, General i.R. Yossi Peled, ergänzte: "Ich hoffe, niemand hört uns zu, aber ich glaube, Sie haben Recht."

Israel kann trotz seiner militärischen Stärke den Zweifrontenkampf im Libanon und im Gazastreifen letztlich nicht gewinnen - zu stark sind die Terrorpaten Iran und Syrien, die in dem Konflikt zündeln. Diese Einsicht ist auch der Grund dafür, dass Israel der von Kofi Annan und Jacques Chirac vorgeschlagenen Stationierung einer un-Blauhelmtruppe grundsätzlich positiv gegenüberstehen.

Nur, es gibt doch bereits eine un-Friedenstruppe im Südlibanon. Die viel zu kleine Einheit wird dort seit 28 Jahren zwischen den Fronten aufgerieben, zählt die Raketenabschüsse der Hisbollah und das Eindringen israelischer Jets in den libanesischen Luftraum und muss all dem untätig zuschauen. Die Fortsetzung einer solchen un-Mission bringt gar nichts - allein viel mehr Blauhelme mit viel mehr Befugnissen hätten eine realistische Chance, wirklich Friedenstruppe zu sein.

Für Rasha in Beirut ist das ferne Zukunftsmusik, die wegen des Bombenlärms nicht zu ihr durchdringt. Sie ist es leid, "Tag und Nacht darauf zu warten, nicht von einer Granate, einer Kugel oder einem Irrläufer getötet zu werden - ich bin so müde..."

wolfgang.machreich@furche.at

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