Eine kurze Bilanz nach 50 Jahren mit der ÖVP

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Er beriet Bundeskanzler, Parteiobmänner und Präsidentschaftskandidaten: Der Jurist Manfried Welan. Nach 50 Jahren ÖVP-Mitgliedschaft hofft er auf Programmatik und Vernetzung der Zivilgesellschaft.

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Er beriet Bundeskanzler, Parteiobmänner und Präsidentschaftskandidaten: Der Jurist Manfried Welan. Nach 50 Jahren ÖVP-Mitgliedschaft hofft er auf Programmatik und Vernetzung der Zivilgesellschaft.

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Die Politik von Leopold Figl und Julius Raab für Österreich machte mich zum Anhänger der ÖVP. Der Name Österreichische Volkspartei zog mich an. 1961 wurde ich Mitglied. Der Bezirks-Parteisekretär fragte mich, ob ich pragmatisiert werden wolle oder Ähnliches. Nein, ich wollte nur mitarbeiten.

Bald erlebte ich die Konflikte zwischen dem Wirtschafts- und dem Arbeiter- und Angestelltenbund. Ein abschreckender Streit um Kleinigkeiten auf Bezirksebene. Was ich schätzte? Referate und Diskussionen in befreundeten Organisationen. Weiters die gutachterliche Tätigkeit für die Parteiführung. Die Arbeiten an einer Demokratie- und Verfassungsreform für Bundeskanzler Josef Klaus (1964-70) und Parteiobmann Karl Schleinzer (1971-75) waren eine Freude. Ebenso jene in der "Siebzehner-Kommission“, in die mich sein Nachfolger Josef Taus berufen hatte, und an Konzepten einer Konzentrationsregierung. Die langen Jahre von 1970 bis 1986 machten mich zum Skeptiker gegenüber der Oppositionsrolle. Die acht Jahre praktischer Opposition in Wien unter Erhard Busek waren spannend aber mühsam.

In den 50 Jahren, die ich überblicke, wurde ich immer wieder gefragt: Wofür steht die Volkspartei eigentlich? Weltoffen, mit christlich-sozialen Wurzeln? Konservativ, reaktionär, liberal, grün, öko-sozial, europäisch, eine Österreich- und eine Europapartei? Ja, es ist wahrscheinlich etwas von allem. Die Mischkulanz macht die Identifizierung schwierig, das räume ich ein.

Früher sprach ich von einer Partei von 54 Parteien, wie sie sich aus sechs Bünden in neun Ländern ergibt. Heute sind die Länder stärker als die Bünde. Die ÖVP wurde von einer Groß- zu einer Mittelpartei. Aber Mitte und Maß sind bei ihr am ehesten vertreten. Josef Rieglers Öko-soziale Marktwirtschaft könnte UNO-Programm sein. Aber das Programmatische musste in den letzten Jahren dem Pragmatischen weichen. Das ist schade und falsch.

Es fehlt der Mut zum Risiko, zur Zukunft

Die Politik der Zweiten Republik hat sich, wie ich in einem Gespräch mit Professor Helmut Kramer gegenüber der Wiener Zeitung sagte, zu sehr auf die materielle Seite konzentriert und die immateriellen Güter - die Freiheit des Geistes, die Förderung von Begabung - vernachlässigt. Doch Chancen hat Österreich nur mit höchster Qualität in allen Bereichen. Aber uns fehlt der Mut zum Risiko, zur Zukunft. Die direkte Demokratie wird uns hier als Korrektiv kaum weiterhelfen. Eher setze ich schon auf die Zivilgesellschaft. Sie hat aber als Ganzes noch zu wenig Gemeinschaftsgefühl. Einzelne Initiativen dienen nur einem Ziel, auch dem großen Studentenprotest fehlte die Ausdauer. Die Zivilgesellschaft müsste sich vernetzen. Sonst fehlt es an Energie.

Und die ÖVP? Sie wird seit jeher von ihren Anhängern mehr kritisiert als von Außenstehenden: Es mangle an Disziplin, Koordination und Führung, heißt es. Das mag sein. Ich bin mit ihr nicht zufrieden, aber ich hoffe immer auf Verbesserung. Auch jetzt, gerade jetzt, zu Ostern.

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