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Schutz den Bauern und dem Boden

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Die Gesetzgebung um Grund und Boden in Österreich schwankt zwischen den Extremen der absoluten Freizügigkeit und des Zwahges, je nach Zeit und Anschauung, in großem Maße. Vom Be-stiftungszwang vor der Bauernbefreiung bis zur absoluten Bodenfreiheit nach dieser, Vom Grundverkehrsgesetz bis zum Reichserbhofgesetz sieht man immer wieder das Eingreifen des Gesetzgebers bis in die Familie, oftmals aber wieder größte Freizügigkeit.

Heute wird von einzelnen Stellen der Ruf nach einem Höfegesetz laut, während andere jedweden Zwang oder gesetzliche Regelung über das Grundverkehrsgesetz hinaus ablehnen. Und doch drängt die Frage zu einer Lösung. Wer mit offenen Augen durch das Land geht und mit Baufern und Landwirten spricht, der muß sehen, daß die Verhältnisse, wie sie derzeit bestehen, unhaltbar geworden sind. Es gibt Ausnehmer, die knapp am Verhungern sind, da ihre Bezüge nicht dusreichen, ihr Leben zu fristen, und sine Aufwertung nicht stattgefunden hat. Oft ist der Sohn, dem der Vater die Wirtschaft übergeben hat, gefallen, die Schwiegertochter hat einen Fremden geheiratet, der keinerlei wie immer geartete Bindung mit dem früheren Hofbesitzer hat. Weichen die Geschwister, so wird der Hof nach ihrer Anzahl oft in gleiche Teile geteilt und Betriebe zerrissen. Bauern wollen ihren Söhnen, obwohl sie die Altersgrenze schon überschritten haben, den Betrieb nicht übergeben, der Junge heiratet vom Hof weg, der Vater steht ohne Nachfolger und weiß nicht, wie sich sein Lebensabend gestalten wird. Zu Zeiten der Konjunktur wurden Ubergabsverträge erstellt, die schon heute eine Bezahlung durch den neuen Besitzer unmöglich machen. Söhne laufen ihren Vätern davon, nehmen Staatsanstellungen an und sind an dem Hof uninteressiert. Töchter wollen überhaupt den Hof nicht übernehmen oder finden keinen, der eine Bäuerin heiraten and den Hof weiterführen will. Ausheiratende Bauernkinder nehmen Grundstücke vom Hof weg und schwächen die Lebensfähigkeit der bestehenden Wirtschaften. Dies sind Einzelbeispiele, die sich beliebig vermehren ließen; sie zeigen, daß durch die derzeitige Art der Bodenpolitik die Höfe zerrissen und die Wirtschaften oft schlecht bewirtschaftet werden müssen.

Es muß daher eine Regelung in irgendeiner Art in Angriff genommen werden. Auf jeden Fall muß vermieden werden, daß durch gesetzliche Maßnahmen schlecht wirtschaftende Landwirte geschützt und der Weg des Bodens zum besseren Wirt verlegt wird, fes muß aber auch vermieden werden, daß der bäuerliche Boden in nichtbäuerliche Hand kommt und die Landwirtschaft Österreichs den Weg der englischen geht, die nicht mehr Bauern, sondern nur mehr Pächter hat.

Eine der häufigsten Ursachen der Bodenabwanderung ist die Schaffung von Siedlungsgrund zum Bau von Wohnhäusern und Kleinlandwirtschaften oder zur Schaffung von Industriegelände; dieser Weg darf unter keinen Umständen verlegt werden. Ein weiterer Weg der Bodenabgabe ist der Erbweg. Hier müssen wir unterscheiden, ob der Erbe Bauer oder Nichtbauer ist. Das derzeitig bestehende Grundverkehrsgesetz sieht keine Maßnahme vor, welche einem Nicht-bauern den Erwerb des Grundes im Erbwege verschließt. Hier liegt eine große Gefahr. Jene Bauernkinder, die die Schwere der Bauernarbeit meiden wollen, gehen in die Stadt und werden dann im Erbwege weiter noch für ihre Landflucht belohnt, indem sie die Möglichkeit haben, den väterlichen Hof als Erben zu erwerben, um ihn vom Pächter bewirtschaften zu lassen. Hier müßte nach meiner Auffassung der Gesetzgeber eingreifen.

Eine zweite große Gefahr für den bäuerlichen Grundbesitz ist das derzeit geltende Übernahmsrecht beziehungsweise Erbrecht. Sind mehrere Geschwister vorhanden, so wird im Erbfall nach dem bürgerlichen Gesetzbuch jedem Kind das gleiche Erbteil zustehen. Es wird nicht berücksichtigt, wieviel von jedem der Kinder für den Hof geleistet wurde und was bereits vom Hof an den Erben geleistet worden ist. An einem praktischen Beispiel möchte ich es erklären: Drei Söhne eines Hofes stehen einander im Erbfall gegenüber. Der älteste Sohn hat den Hof zu übernehmen, er hat von Jugend auf in dem Betrieb gearbeitet; der zweite verließ den Hof mit 14 Jahren, hat auf Kosten des Hofes eine Berufsausbildung erhalten und wurde durch Jahre vom Hof mit Lebensmitteln und teilweise Geldspenden bedacht. Der dritte hat mit 14 Jahren ein Handwerk gelernt und ging später in Staatsdienste. Bei der Erbteilung steht jedem sein Erbteil zu, es kann höchstens ein Teil der Ausbildungskosten des zweiten Sohnes in Abzug gebracht werden, über die Leistung des Hofes an die beiden mitübernehmenden Söhne sind weder Aufzeichnungen noch Bestätigungen vorhanden. Der übernehmer“ muß also, obwohl der Hof laufend für die weichenden Kinder gesorgt, ihnen zwei Drittel des Hofwertes zur Auszahlung bringen,,das heißt er muß praktisch den Hof kaufen, fängt mit Schulden an und wird nie die volle Leistungsfähigkeit erreichen, da ja das Kapital fehlt, den Hof modernst auszustatten und zu bewirtschaften. Hier müßte eine Neuregelung durch das Gesetz stattfinden.

Um die schwierigsten Mängel zu beheben, ist nach meiner Auffassung kein Höfegesetz notwendig, sondern die Ausdehnung des Grundverkehrsgesetzes auch auf den Erbfall, weiter eine Bestimmung, daß ein Nichtbauer auch im Erbwege keinen Grund erwerben kann und daß er in diesem Fall zum Verkauf kommen müßte. Es wird sich mancher, wenn er vor der Entscheidung steht, den Heimatboden zu verlassen, den Entschluß

überlegen, wenn er weiß, daß er damit den Großteil seines Erbes aufgibt, und es müßte außerdem bestimmt werden, daß die Arbeitsleistung des übernehmers, die bis jetzt dem Hof zugute gekommen ist, ihm gutgerechnet wird, während Ausbildungskosten über das gewöhnliche Maß hinaus und sämtliche Leistungen des Hofes schon vor der Übergabe beziehungsweise dem Erbfall an weichende Erben Abzugsposten ihres Pflichtteils sind. Falls keine Aufzeichnungen vorhanden wären, so wäre im Zweifelsfalle die Behauptung des Ubernehmers als richtig anzunehmen, sofern sie die Grundverkehrskommission als möglich und ortsgegeben anerkennt.

Eine Verwirklichung dieser Anregungen würde nicht nur der Landflucht, sondern auch der Zerstückelung des bäuerlichen Grundbesitzes entgegenwirken.

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