Bange Fragen Richtung Rom

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Der Seligsprechungs-Trapezakt vom letzten Sonntag ist noch nicht ausgestanden. Man muss sich vor Augen halten, was da geschehen ist: Das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes ging unter Pius IX. formal ordnungsgemäß über die Bühne, war aber von Anbeginn problembelastet. Der Beschluss, gegen den rund ein Viertel der anwesenden Kardinäle stimmte, wurde nach Abreise vieler Konzilsteilnehmer gefasst und gilt heute auch unter katholischen Theologen als dringend ergänzungsbedürftig. In einer solchen Situation den Papst, der dies alles durchboxte, seligzusprechen, muss nicht nur andere christliche Kirchen, sondern auch alle ökumenisch gesinnten Katholikinnen und Katholiken irritieren.

Der kämpferische Judengegner Pius IX. als Seliger: Das versieht alle berührenden Vergebungsbitten und Versöhnungsgesten des jetzigen Papstes mit Fragezeichen. Wie konnte diese Wirkung übersehen werden? Die Verklärung des militanten Menschenrechte- und Moderne-Gegners Pius IX. nimmt aber auch der Seligsprechung des Aggiornamento-Papstes Johannes XXIII. ihre Wirkung: Warum diese Demonstration? Johannes hat die "Zeichen der Zeit" zur Pflichtorientierung für die Kirche gemacht. Sie sind nicht mit dem "Zeitgeist" gleichzusetzen, dessen Eskapaden nicht mitzuvollziehen sind. Aber die Kirche muss in jeder Zeit erkennen, was sich bleibend ändert und ändern muss. Warum wird ein Papst selig gesprochen, der dies völlig verkannt hat?

Beteuerungen, man müsse jeden Papst als Kind seiner Zeit sehen und Brüskierungen von Dialogpartnern seien nicht beabsichtigt gewesen, gehen ins Leere: Wenn die Betroffenen sich gekränkt sehen, kommt es auf die Absicht nicht mehr an. Ist Johannes Paul II., der so viel Sinn für subtile Gesten hat, diesmal völlig von seinem Gespür verlassen worden? Regiert nicht mehr er durch die Kurie, sondern die Kurie über ihn hinweg? Oder gelten jetzt schon Gesten als unfehlbar? Bange Fragen. Der kaum verhohlene Triumph von "Christianus" in der Sonntags-"Krone" ist keine beruhigende Antwort darauf.

Hubert Feichtlbauer ist freier Publizist und Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche".

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