6548986-1947_31_07.jpg
Digital In Arbeit

Replik

Werbung
Werbung
Werbung

Aus einer nicht leicht genommenen Verantwortung heraus wurde vor kurzem in diesem Blatt eine theologische Untersuchung der religiösen Ideenwelt des jüngsten Romans von Gertrud von Le Fort, „Der Kranz der Engel“, veröffentlicht. Es wurde darin ausdrücklich betont, daß damit kein Urteil über die Person der Künstlerin ausgesprochen werden soll. Aber selbst wenn „eine liberale Zeitung“ den Unsinn begehen sollte, sie als Revertitin zum Protestantismus zu bezeichnen, was ein Kritiker meiner Kritik nach meinen Ausführungen für möglich hält, so ist auch diese Möglichkeit nicht entscheidend, denn in einer theologischen Untersuchung gelten nur theologische Gründe, nicht Affekte und Befürchtungen.

Der Grundfehler, den ich begangen haben soll, liegt darin, daß ich geglaubt habe, bei der Kritik einer großen Dichtung vom Kunstwerk als solchem absehen zu können und mich rein der Problematik der ihr zugrundeliegenden Ideenwelt zuwenden zu dürfen. Aber wenige Zeilen später wird das Werk selbst als „Thesenroman“ bezeichnet. Ich hätte das nidit zu sagen gewagt — aus Furcht, damit allzusehr den Dogmatiker hervorzukehren. Aber schließlich: Ist zwischen „Thesen“ und „Ideenwelt“ ein großer Untersdiied? Macht es methodisch viel aus, ob ich mich mit der Ideenwelt befasse oder mein Kritiker mit den Thesen des Romans?

Nach meinem Kritiker ist in meiner Darstellung die „Gestaltung eines persönlichen mystischen Gnadenerlebnisses“ als Stoff des Romans „zu kurz gekommen“. Wovon habe ich denn überhaupt geschrieben? Der erste Satz meiner Besprechung lautet: „Durch das Lebenswerk der Le Fort zieht sich das Ringen mit der Welt der Mystik“. Dies ist die These meiner Ausführungen. Nirgends habe ich das Werk als „Eheroman“ bezeidinet; dieses Mißverständnis — es wäre reichlich plump — wird mir imputiert. Im übrigen schreibt mein verehrter Kritiker mehr über die Ehe der Veronika, als ich getan habe. Der Leser wird es ihm danken, da das Buch selbst nur wenigen zugänglich sein dürfte. Etwas anderes ist bei mir freilich „zu kurz“ gekom-\ men: die Tragödie der deutschen Seele. Aber dies ist zunächst kein theologisches Problem, fällt also nicht unter mein Thema. Wenn mein Kritiker die Darstellung dieser Tragödie vor allem am Roman bewundert, während ich mehr von der „unerreichten Darstellung der Dämonie des übersteigerten Nationalismus“ erschüttert war, so vermute ich, Gertrud von Le Fort wird mit uns beiden zufrieden sein!

Selbstverständlich bezeichnet es auch mein Kritiker als „antiklerikale These“ — ich hätte statt dieser politischen _Qualifikation lieber gesagt: „Glaubensirrtum“ —, wenn im Roman behauptet würde, „katholische Bräute müßten aus den frommen Sicherungen des Glaubens und der kirchlichen Ehegesetzgebung heraustreten, um die dämonische Verhärtung ... ihrer ungläubigen Verlobten zu vermeiden“. Nochmal: ich habe nirgends gesagt, daß es sich im Roman um diese Frage „h a n d e 11“. Auch mir lag bei meinem Aufsatz nicht vor allem an den katholischen Bräuten! Aber immerhin: Wie sieht mein Kritiker die Verbindung der Veronika mit Enzio?

Zuerst „opfert Veronika dem Jugendgeliebten Enzio ihren Klosterberuf“. Fragen wir in theologischer Schau: hat sie riditig gehandelt? Nach katholischer Auffassung ist der echte Kloster beruf eine Gnade. Gott kann nidit zwei gleichermaßen fordernde Gnaden geben, die sich widersprechen: den Ruf, sich Gott allein zu schenken, und den Ruf, Gott durch die Hingabe an einen geliebten Menschen zu dienen. Doch ist diese Frage vielleidit aus dem Roman nicht eindeutig zu lösen. Diese Entscheidung Veronikas ist allerdings grundsätzlich für ihre späteren Entschlüsse. Nun folgt die lückenlose Entwicklung bis zum Gewissenskonflikt; entweder ein Nein zur Forderung Enzios oder ein Nein zur Forderung der Kirche. Und hier fällt in der Darstellung meines Kritikers das entscheidende Glied unter den Tisch. Nach ihm schließt die tragische Verwicklung mit dem „seelischen Zusammenbruch“; im Roman aber geht diesem Zusammenbruch die klare Entscheidung der Veronika für die Ehe und damit gegen die Forderung der Kirche voraus. „Von nun an wird mich niemand mehr verstehen“, sagt sie. Hat sie also die „antiklerikale These“ vertreten oder nicht? Mein Kritiker sagt, daß sie „unschuldig schuldig wird“. Das klingt recht schön in einer literarischen Besprechung, nber in theologischer Betrachtung ist ie objektiv entweder schuldig oder unschuldig. Nach meinem Kritiker „zerbricht Veronika durch die Bereitschaft zur Opferung ihres Seelenheils in der Achtung vor dem kirchlichen Gesetz“ (Sperrung von mir). Wenn man die letzten Worte wegläßt — ich sehe nicht, wie man das kirchliche Gesetz achtet, wenn man es übertritt —, so habe ich genau dasselbe gesagt;, und eben die Opferung des eigenen Seelenheils, aus welchen Gründen immer, steht, wie ich schrieb, „in vollem Gegensatz zur katholischen Moral“. Einige Zeilen nach dem oben zitierten Satz spricht mein Kritiker vom „unerlaubten Opfer“ der Veronika. Warum wirft er mir vor, daß ich es gleichfalls für unerlaubt halte? Wieder einige Zeilen später heißt es, „daß Veronika nicht aus der von ihm (Enzio) gewollten irdi-sdien Liebe für ihn in den geistlichen Tod ging, sondern trotz der kirchlichen Schuld dennoch au$ christlicher Liebe'. Was ist hier „geistlicher Tod“? Sünde oder physischer Zusammenbruch oder was sonst? Was ist „kirchliche Schuld“? Kann man Christus in seiner Kirche beleidigen und „sonst“ lieben? Wie ginge das mit der Lehre der Enzyklika „Mystici corporis“ von der Kirche als fortlebender Christus zusammen? Nicht durch „die unverbrüchlidie Anerkennung des Kirchengesetzes“ tritt der tragische Konflikt ein, wie behauptet wird, sondern Veronika bricht zusammen, nachdem sie sich gegen das Kirchengesetz entsdiieden hat. Die wieder einige Zeilen später gemachte Unterscheidung zwischen „himmlischer“ und „kirchlicher“ Schuld ist vom Standpunkt der katholischen Theologie aus unhaltbar. Es gibt zwar eine Unterscheidung zwischen forum internum und forum externum, aber die Anwendung dieses Unterschiedes auf die Lage der Veronika würde alle Tragik aus dem Roman entfernen und ihn somit des Kunstgehaltes berauben. Und ,eberfso unhaltbar ist der Satz vom „unermeßlichen Wert der ungebrochenen Erhabenheit, die hier freilich die christliche Liebe ist, auch noch in der Schuld gegen die Kirche“. Daß es eine christliche, also übernatürliche Liebe gibt in der schweren Schuld gegen die Kirche, widerspricht dem katholischen Dogma.

Nach wie vor halte ich daran fest, daß das religiöse Problem des Romans — er enthält nidit nur religiöse Probleme — im Kern das Verhältnis zwischen persönlicher Gnade und kirdiHchem Ansprudi ist. Dogmatisch steht fest* daß es keine Gnade gegen die Kirche geben kann. Aber die Frage der Beziehungen war immer lebendig: im Verhältnis von Amt und Charisma im, Urchristentum, in den spiritualistisdien Auseinandersetzungen des späten Mittelalters, im Anliegen der Reformation, in der Unterscheidung der neueren protestanti-sdien Theologie zwisdien Petrinismus und Paulinismus in der Kirche einer Unterschei dung, die als harmlose, aber historisdi falsche Typisierung weitergegeben wird-Und doch ist der „anstößige“ Satz: ,Wenn wir selbst oder ein Engel vom Himmel euch anders lehren, als wr euch gelehrt haben, so sei er verflucht“ (Gal. 1, S), nicht von Petrus, sondern von Paulus.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung