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Spiegel der Öffnung zur Welt

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Wie eine Zeitgeist-Themenliste lesen sich jene Neueintragungen, die in der zweiten Auflage von 1961 noch nicht vorgekommen sind: Kirchenkritik, Klinische Seelsorgeausbildung, Kritische Theorie, Kommunikationswissenschaft, Konsum, Kontextuelle Theologie, Lebensstandard, Leihmutterschaft, Linguistik, Leuenberger Konkordie ...

Es braucht keine besondere Begründung, warum die dritte Auflage des Standardwerkes gegenwärtiger Theologie notwendig war. Die vom II. Vatikanischen Konzil begonnene „Öffnung zur Welt” ist inzwischen Wirklichkeit geworden, gesellschaftlicher Wandel, vom Fall des Eisernen Vorhangs bis zur Globalisierung, hat vor den Kirchentüren nicht haltgemacht. Die Grenzen der historisch-kritischen Bibelwissenschaft sind bewußt geworden, aber auch deren Unersetzlichkeit. Der kirchliche Rechtskodex von 1983 hat auf die geänderte inner-wie außerkirchliche Realität reagierend vieles neu definiert und geregelt.

Wie schon die bisherigen Bände reflektiert auch der sechste Band des Lexikons diese Entwicklungen - in der Auswahl der Stichworte, im verläßlichen Anführen der neuesten Literatur, in einer argumentierenden Auseinandersetzung, die sich nicht mehr auf lehramtliches Dekretieren verlassen darf und will. Die großen Eintragungen folgen dem Schema: philosophisch-historische Grundlegung, biblischer Bezug (falls gegeben), systematische Entfaltung, pastorale Schwerpunkte wie etwa feministische, pädagogische oder soziale Konsequenzen. Aufgrund der alphabetischen Reihenfolge enthält dieser Band besonders viele Stichworte, die auf den ersten Blick nicht oder nur wenig mit „Theologie und Kirche” zu tun haben: Krankheit, Kultur, Kunst, Leben, Leid, Leidenschaft, Liebe, Literatur, Mann und Frau. Die Autoren verstehen es aber, den Blick zu schärfen für jene Dimensionen menschlichen Lebens, die offen sind für die Glaubenserfahrung. Auf der anderen Seite kommen binnentheologische wie innerkirchliche Themen nicht zu kurz: von Kirchengeschichte und -recht bis Klerus, Laie, Iehramt und Konzil spannt sich hier der Rogen. Mit besonderem ökumenischen Interesse liest man den ausführlichen Artikel über Martin Luther.

Sensationelles, das für Schlagzeilen auch nur in kirchlichen Medien sorgen würde, findet man auch in diesem Band nicht. Man könnte kritisch fragen, warum die Theologenzunft eine nach wie vor männliche Domäne ist. Auffällig, daß auch bei typisch konfessionellen Themen nur ausnahmsweise nicht-katholische Experten eingeladen wurden. Die den Verfassern sehr streng vorgegebene maximale Zeilenanzahl hat zwar den Vorteil, daß der geplante Umfang von zehn Bänden eingehalten werden kann; dies hat aber bisweilen einen sehr gedrängten Lexikonstil zur Folge.

Trotzdem darf die in vielen Besprechungen zu lesende Phrase wiederholt werden: ein unverzichtbares Standardwerkzeug nicht nur für theologischkirchlich Arbeitende, sondern ebenso für viele andere Professionen, die sich mit der weiterentwickelten Glaubenstheorie und -praxis auseinandersetzen wollen oder müssen.

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