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Umwege in die Heilige Schrift

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Wenn man als nüchterner Christ (und ein letzter Rest von solchen muß wohl in dieser turbulenten und „trunkenen” Zeit übrigbleiben!) gleich im ersten Satz der „Vorbemerkung” eines Buches zur Apokalypse liest: „Der Niederschrift dieser Schauungen zur Apokalypse liegt ein visionäres Erlebnis zugrunde, das ich im Jahre 1938 in Rapallo an der Riviera di Levante hatte” — dann stutzt man zu- ‘ nächst. Da aber schon der Ausschnitt aus einem Fresko von Max Weiler („Das Lamm gleichwie geschlachtet”) auf dem Schutzumschlag herausfordernd gezeigt wird, läßt man sich nicht abschrecken, auch nicht durch die Bemerkung von der „Exegese des Herzens” (S. 7), die zweifellos in der Kirche schon einige Ordnung durcheinandergebracht hat, so notwendig sie ist als Ergänzung der Exegese des nüchternen Verstandes. — Um gleich das Gesamturteil abzugeben: der Rezensent ist der Ueberzeugung, daß weiter und tiefer ‘ als solche dabei in keiner Weise die subjektive Wahrheit der genau datierten und lokalisierten „Engelerscheinung” an!) eine schlichte Exegese trägt, wie sie beispielsweise R. Gutzwiller in „Herr der Herrscher” auch für einen weiteren Leserkreis bietet, oder die erfreulich zahlreichen guten Kommentare zur Apokalypse auf katholischer und protestantischer Seite vermitteln. Mag die Johannesapokalypse eine scheinbar verwirrende Fülle von Bildern aus allen Schöpfungsbereichen und nach allen Dimensionen enthalten: sie bleibt von einer jeden liebenden, aufmerksamen Betrachter („Meditierenden”) immer wieder in Bann schlagenden Einheit und Geschlossenheit. Die in der Gesamtoffenbarung der Bibel unübertreffliche Christusvision, im ersten Kapitel, die wie ein mächtiges Portal beide Testamente abschließt und zugleich als „offene Tür” ins Kommende und Ewige führt, schafft diese Einheit! Hier ist die Sonne, die alles andere erleuchtet. Darum ‘ist die Johannesapokalypse nicht Darstellung der „letzten Weltennacht” (das sind so ungefähr alle anderen „Apokalypsen” bis zu den modernsten Nachahmungen!), sondern über allem Weltendunkel und Weltenwirrwarr aufblitzender Ostermorgen: das Osterbuch der Urchristenheit und der Kirche aller Zeiten, das österliche Trostbuch für jede neue Christengeneration, für uns genau so wie für die „sieben Gemeinden”, die Repräsentanten der Gesamtkirche, genau so, als wäre sie eben geschaut und eben an uns gesandt, das aktuellste Buch der Bibel und darum notwendigerweise auch das gefährlichste, aber von einer heilsam herausfordernden und heilsam aufreizenden Gefährlichkeit, ohne die christlicher Glaube zum neutralen „Christentum” neben anderen Neutra wird!

Sollte jemand durch Paula Schliers „Schauungen” neuen. .Zugang finden…zu -dieser. Urapokalypse, so hätte das Buch einen guten Dienst geleistet. Für den modernen Menschen gibt es nicht bloß „Wege in die Heilige Schrift”, sondern auch ‘„Umwege”! Wenn er nur hineinfindet! Wenn er nur nicht auf solchen „Umwegen” sich so wohlfühlt, daß er sich dort „ansiedelt”; oder ohne Bild: manche „Poeten” haben auch schon mit „Schauungen” und ähnlichem von der wirklichen Bibel ferngehalten! Wir möchten wünschen, daß Paula Schliers Buch die Leser nicht abhält von der wirklichen Apokalypse, sondern hinführt. — Sollte aber jemand, statt sich durch diese 300 Seiten eines umfangreichen Bandes hindurchzuarbeiten, in derselben Zeit siebenmal aufmerksam (vielleicht an Hand des ausgezeichneten Karrer- Textes mit den alles Wesentliche enthaltenden Anmerkungen!) die Johannesapokalypse lesen, so hat er sehr viel mehr!

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