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Österreichische Wirtschaftspolitik

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VERBÄNDE UND WIRTSCHAFTSPOLITIK IN ÖSTERREICH. Von Theodor P ü t (Herausgeber). Verlag Duncker & Humblot, Berlin, 1980. 718 Selten. DM 93.—.

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VERBÄNDE UND WIRTSCHAFTSPOLITIK IN ÖSTERREICH. Von Theodor P ü t (Herausgeber). Verlag Duncker & Humblot, Berlin, 1980. 718 Selten. DM 93.—.

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Die Fach- und Marktverbände gehören in der Gegenwart zu den wesentlichen Determinanten der Wirtschaftspolitik; diese ist nicht mehr ausschließlich ein Vollzugssyistem behördlicher Akte, die lediglich von einzelunternehmerischen Einflüssen, also im Sinn einer „herrschenden Klasse“, berichtigt werden. Gerade weil .sich in einem Wirtschaftssystem außerhalb der Bereiche der •Zentralverwaltungswirtschaft die jeweilige Wirtschaftspolitik gleichsam als Saldo aus parallelen (kumulierenden) und gegenläufigen Einflüssen der Wahlhandlung der Interessenten und der behördlichen Maßnahmen darstellt, weist jede nationale Wirtschaftspolitik arteigene Züge auf, wenn auch die Gravitation zur Natur der Wirtschaft, zu ihren immanenten Gesetzen, unverkennbar ist.

Aus diesem Grund schien es dem Verein für Sozialpolitik und dem Herausgeber notwendig, die besonderen Verhältnisse in Österreichs Wirtschaftspolitik, ausgewiesen in den verbandlichen Einflußnahmen, gesondert darzustellen und sich zu diesem Zweck die Mitarbeit erster Fachleute zu sichern — wie geschehen. Das Ergebnis ist eine umfangreiche Darstellung, deren Materialteil aus Gründen von Übersichtlichkeit und Systematik in sieben Kapitel gegliedert ist, erscheint doch die Organisationsdichte und das politische Eigengewicht der einzelnen Verbände so verschieden zu sein, daß eine vermengte Darstellung dem Zweck des Unternehmens kaum gedient hätte.

Die einzelnen Verbände (Kammern und freie Verbände) werden überwiegend nicht von Verbandsfremden dargestellt, sondern gleichsam von innen her, von Verbandsangehörigen oder von jeweils Nahestehenden. Dieser Sachverhalt könnte unter Umständen Anlaß zur Vermutung sein, daß die Objektivität der Untersuchung (die ja einen wissenschaftlichen Charakter haben soll) einfach durch die Befangenheit der Autoren bis zur beruflichen Bindung einzelner Verfasser nicht ausreichend gesichert sei. Diese Vermutung trifft jedoch nicht zu. So sehr manche Autoren scheinbar in eigener Sache publizieren, hat kein Verfasser eine Beitrags den Gegenstand der Darstellung und den persönlichen Bezug zu diesem vermengt. Man kann daher bei allen Beiträgen, deren wissenschaftliche Qualität durch die Gütemarke der einzelnen Autoren ausgewiesen ist, von einer optimalen Objektivität sprechen. Das soll vorausgesagt werden. '

Im ersten Teil bietet die Mitarbeiterin des Herausgebers, Frau Universitätsprofessor Dr. Gertrud Neuhauer, eine profunde systematische Übersicht zur verbandsmäßigen Organisation der österreichischen Wirtschaft, wodurch der Leser vermittels einer Art Vorwegnahme der Resultate der Einzeluntersuchungen Vorkenntnisse für das Studium der Beiträge erwirbt. Gleiches gilt für den Teil II, „Die Bedeutung der Wirtschaftsverbände für die Gestaltung der österreichischen Wirtschaftspolitik“, der den Herausgeber zum Autor hat. Aus der Natur der Sache heraus fehlt es an einem einheitlichen Begriffskatalog. Um so wertvoller ist daher die vom Herausgeber des Werkes in seinem Beitrag gebotene Begriffserklärung.

Die Einzeldarstellungen (auf die wegen der Begrenzung des Besprechungsraumes nicht eingegangen werden kann) haben folgende Autoren und Titel: P. Meihsl, Kammern und freie Verbände in der Landwirtschaft; E. März und E. Weissei, Die Kammern für Arbeiter und Angestellte; F. Klenner, Der österreichische Gewerkschaftsbund;

M. Mitic und A. Klose, Die Handelskammerorganisation in Österreich; K. Wenger und H. Seidel, Freie Verbände in der Gewerblichen Wirt schaft; A. Nußbaumer, Freie Verbände im Geld- und Kreditwesen; H. Zogelmann, Kammern und freie Verbände der freien Berufe usw.

Die Fragen der verbandsinternen Willensbildung wurden nicht erörtert. Lediglich das Resultat der Effekte der gegenläufigen Willensrichtungen, das von außen her erkennbare Gesamtverhalten der mit wirtschaftspolitischen Fragen befaßten Verbände, wurde untersucht.

Die Einzeldarstellungen werden im Wesen meist nicht durch literarisches Material, sondern im allgemeinen durch die praktischen Erfahrungen der Autoren begründet. Dadurch erhält das Buch einen besonderen Wert, da es den Charakter einer originären empirischen Untersuchung hat. Obwohl es sich überwiegend um Selbstdarstellungen der Verbände handelt, vermochte es offenkundig die Führung seitens des Herausgebers, dem Unternehmen die eingangs erwähnte Sachlichkeit der einzelnen Beiträge zu sichern.

Das Buch ist ein Grundwerk. Seine Aussagen über die konstitutiven Kräfte der österreichischen Wirtschaftspolitik, die im verbandlichen (vorstaatlichen) Raum lokalisiert sind, scheinen geeignet, die Transparenz der österreichischen Wirtschaftspolitik erheblich zu erhöhen.

Es wäre der Sache, dem, was man Objektivierung der Wirtschaftspolitik nennt, ungemein gedient, fänden sich nunmehr Experten, die das Wirken auch jener Elemente untersuchen; die hinter den Parteien und hinter den Verbänden stehen, also der nicht förmlich legitimierten Drackgruppen. Was in dieser Hinsicht bisher geboten wurde, war lediglich getarnte Interessentenliteratur.

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