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Dreißigfache Ertragssteigerung

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Die gigantische Mechanisierung der amerikanischen Landwirtschaft in Erfüllung der Forderung nach Produktivität je Arbeitskraft war die Voraussetzung für die 30fache Ertragssteigerung, die die amerikanische Landwirtschaft innerhalb der letzten 100 Jahre erreichte. 1850 waren fünf Personen in der Landwirtschaft notwendig, um für sich selbst und einen Städter Lebensmittel zu erzeugen. 1950 schuf durchschnittlich eine landwirtschaftliche Arbeitskraft für sich, seine Familie und für fünf städtische Familien die notwendigen Lebensmittel und versorgte überdies noch eine Familie in der Welt.

Gerade wir Oesterreicher sollten mit Dank der Leistungen des amerikanischen Farmers gedenken, da nur diese Ertragssteigerung uns vor der Hungersnot bewahren konnte.

Nicht die Maschine hat den Landarbeiter verdrängt, wie immer wieder fälschlich angenommen wird. Die Mechanisierung war auch in Amerika nur eine Folge der Landflucht, jenem Gespenst, dem sich die europäische Wirtschaft nun schon seit Jahrzehnten machtlos gegenübersieht. Im Gegenteil, es war der Traktor, der in Amerika der Landflucht ein Ende bereitet hat.

Die Ausnützung der technischen Errungenschaften hat sogar vielfach die Neubesicd-lung und eine Rückgewinnung verlorengegangener Kulturflächen ermöglicht und damit zu einer Vergrößerung der in der Landwirtschaft tätigen Personenzahl geführt.

Ueber 90 Prozent der amerikanischen Farmen sind Familienfarmen. Die Stärke dieser „family typ farms“ liegt in deren Produktivität je Arbeitskraft. Auch heute sind Landarbeiter schwer zu beschaffen. Diese, wie auch die zweitgeborenen Söhne der Farmer, streben dem Erwerb neu kultivierter Flächen zu. Da die Farmersfrau ausschließlich im Haushalt tätig ist, verbleibt als Arbeitskraft der Farm: ein Mann. Nur zur Erntezeit hilft der die Mittelschule besuchende Sohn und Erbe oder der Vater des Farmers, der sich fast immer frühzeitig zur Ruhe setzt.

Die Wirtschaftsform richtet sich daher ausschließlich nach der jeweils vorhandenen Betriebsgröße. Ist die Farm klein, so ergibt sich von selbst eine intensivere Bewirtschaftungsform, z. B. eine Geflügelzucht oder der Gartenbetrieb. Ein Mann kann auf zwei bis vier Hektar 1000 Truthühner füttern oder 5000 Obstbäume pflegen. Solange also in Amerika Geflügel und Obst gegessen werden, wird es Farmen dieser Größe geben, die ihren Mann ernähren. Die durchschnittliche Farmsrößc des Staates Wisconsin beträgt heute etwa 35 Hektar — gegenüber der seinerzeitigen Home-stsre-Größe von 70 Hektar ein bedeutender Rückgang der Farmgrößen. — Dies ist die für Milchwirtschaft produktivste und rentabelste Größe, da auch hier das Arbeitsvermögen eines Mannes genügt. In jedem der Staaten haben sich Farmtypen herausgebildet, die sich in der Größe und in ihrer Produktionsaufgabe unterscheiden. Die Absatz- und Preisregeiung aller in diesen Farmtypen erzeugten Produkte erfolgt nach einem System, das als eine glückliche Ehe zwischen freier und Planwirtschaft bezeichnet werden kann. Dieses Preissystem läßt jede Type und jede Farmgröße lebensfähig und als einen guten „job“ erscheinen.

Es ist daher falsch, anzunehmen, daß der Traktor Anlaß zu einer Industrialisierung, daß die Mechanisierung der Weg zur landwirtschaftlichen Großraumwirtschaft ist. Jede der Maschinen hat eine eigene optimale Kapazität, die nicht nur nach unten, sondern vor allem auch nach oben beschränkt ist. In den letzten Jahren hat sich wohl die Zahl der Traktoren vervielfacht, aber die Traktoren selbst sind kleiner geworden. Sie haben sich vom beängstigenden Monstrum zu einem Arbeitsgerät entwickelt, das sich nur dann als produktiv und rationell erweist, wenn es in den Händen und im Eigentum des Farmers, des Menschen ist, auf den es letzten Endes ankommt. Die Entwicklung der amerikanischen Landwirtschaft hat gezeigt, daß Produktivität und Mechanisierung die Zukunft des freien Bauerntums ist, und nicht der Weg zum Kolchos.

Der amerikanische Farmer hat dank der von der ganzen Nation beschlossenen Förderungsgesetze seine den Gesetzen der Produktivität folgenden und auf Dauer lohnenden Wirtschaftsformen gefunden. Der Farmer beginnt heute mit dem Lohn seiner Arbeit auf dem Boden zu investieren, den seine Väter einst in wilder Gier gerodet haben. Er baut seine Häuser, Stallungen und Silos heute aus Ziegel und Beton, er pflanzt Bäume zum Windschutz längs seiner Grenzpfähle, er errichtet Drainagen und Bewässerungsanlagen. Er in- vestiert auf Dauer. Der amerikanische Farmer ist seßhaft, ist Bauer geworden.

Wie in der Siedlungsgeschichte anderer Kontinente hat auch Amerika eine Landwirtschaft erhalten, die sich der von Gott gestellten Aufgabe bewußt ist, dem Mitmenschen das tägliche Brot zu beschaffen. „Farming is a good job.“ Ein Geschäft? Nein, heute ist es auch in Amerika ein Beruf, eine Berufung. Aber soll denn ein Beruf nicht auch eine sich lohnende Beschäftigung bleiben?

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