6587828-1952_06_04.jpg
Digital In Arbeit

Gefahr für das Land

Werbung
Werbung
Werbung

Die nachstehenden Ausführungen wollen nicht eine polemische Auseinandersetzung gegenüber seit Jahr und Tag gebrauchten gehässigen Schlagworten eröffnen, sondern auf Grund von statistischem Material die wirtschaftliche Lage des österreichischen Bauern durchleuchten, als Beitrag zum besseren gegenseitigen Verstehen für alle Gerechtgesinnten in Stadt und Land.

Die Monatsschrift des Französischen Statistischen Zentralamtes hat in ihrer Novemberausgabe vom Jahre 1951 die Indizes vieler europäischer und auch überseeischer Staaten zusammengestellt, getrennt nach Landwirtschaft und Industrie . Der Index kommt dadurch zustande, daß man die Preise früherer Jahre (meist des Jahres 1938) mit 100 annimmt und nun feststellt, welche Zahl dem Preis von heute zukommt. Die folgende Tabelle zeigt nun, in welchem Maß sich landwirtschaftliche und industrielle Produkte seit der Vorkriegszeit verteuert haben:

Aus der letzten Spalte ersieht man, um wieviel der Index der heutigen Industriepreise den Index der heutigen Agrarpreise über- oder unterschreitet, wenn man den letzteren mit 100 annimmt. Wir kommen zu dem Ergebnis, daß Österreich an der Spitze der Länder steht, in denen die Preise für die Erzeugnisse der Industrie die für agrarische Erzeugnisse weit hinter sich lassen. Das heißt, daß sich in Österreich die Preisschere am schmerzlichsten auswirkt. Es soll hier nicht untersucht werden, ob der Index 1001 für die industriellen Produkte berechtigt ist oder nicht. Wir müssen hier aber auch festhalten, daß die Industrie schon den guten Willen gezeigt hat, den überhöhten Index abzubauen. Es soll hier nur eindeutig bewiesen werden, daß Österreichs Landwirtschaft heute schwerste Opfer zu bringen hat, größere als mancher andere Berufsstand. Der Bauer ist auf die Industrie angewiesen. Er braucht Maschinen, die den würgenden Mangel an Arbeitskräften mildem, er braucht Baumaterialien, Werkzeuge, Arbeitskleidung, Geräte und Kunstdünger. All dies muß er bei einem Industrieindex von 1001 kaufen und kann seine Produkte nur mit einem Index von 689 verkaufen. Dazu muß betont werden, daß — wie vor wenigen Wochen Nationalrat Strommer im österreichischen Parlament nachwies — die Landwirtschaft gegenüber 1937 eine Arbeitsproduktivität von 105 Prozent erreichte, die Arbeits produktivität der Industrie gegenüber 1937 jedoch unter 100 Prozent blieb. Um so bedauerlicher ist es, wenn sogar Vertreter der Industrie der Landwirtschaft vorwerfen, daß sie zu wenig Anstrengungen mache, die Produktion zu steigern.

Die wirtschaftliche Lage in der Landwirtschaft wird vielleicht noch deutlicher durch einige Zahlen über den Kaufwert wichtiger agrarischer Produkte in Österreich, Deutschland und Frankreich gekennzeichnet (berechnet auf Grund der Großhandelspreise):

Dies sind nicht ausgesuchte Zahlen, sondern einige wahllos herausgegriffene Ergebnisse einer größeren Untersuchung. Sie könnten nach Belieben variiert werden und zeigen doch immer wieder mit erschreckender Deutlichkeit, daß d i e Landwirtschaft in einigen Jahren durch die Preisschere wirtschaftlich zugrunde gerichtet sein wird. Zum Beispiel: Der Stabeisenpreis ist für den Preis landwirtschaftlicher Maschinen von ausschlaggebender Bedeutung. Der österreichische Bauer muß mehr als doppelt ++so viel für landwirtschaftliche Maschinen bezahlen wie der deutsche oder französische. Man kann sich vorstellen, wie dadurch die Technisierung der österreichischen Landwirtschaft behindert wird, obwohl gerade sie infolge des drückenden Landarbeitermangels zu einem der brennendsten volkswirtschaftlichen Probleme geworden ist.

Auffällig ist, daß der österreichische Bauer für Kalidünger nicht mehr an agrarischen Erzeugnissen abzugeben hat als der deutsche. Dies ist aus dem Umstand zu erklären, daß die österreichischen Kunstdünger aus ERP-Mitteln subventioniert werden. Wäre das nicht der Fall, könnte der Bauer angesichts der Preisverhältnisse noch weniger Kunstdünger im Boden investieren, was ein rapides Absinken der Ernteergebnisse zur Folge hätte.

Mit den obigen Zeilen soll nicht etwa die Forderung nach höheren Agrarpreisen erhoben werden; einen gerechten Ausgleich zu finden, ist Sache der verantwortlichen Stellen. Es soll aus ihnen auch nicht eine fanatische Verteidigung der Landwirtschaft herausgelesen, sondern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung