Kein Geld nach Rüsselsheim

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Wirtschaftsexperte Ulrich Blum erklärt im Gespräch mit der FURCHE welche Fehler im Finanzsystem liegen, und dass Opel von General Motors los muss.

Die Autoindustrie ist die erste, die durch die internationale Finanzkrise in die Knie gezwungen wird, sagt man. Für den Wirtschaftsweisen der deutschen Bundesregierung, Ulrich Blum, ist die Sache so einfach nicht.

Die Furche: Herr Professor, wird es gelingen, dem Finanzmarkt ein Korsett aufzuzwingen, wie es heute viele fordern?

Ulrich Blum: Es gibt eine alte Regel: Jede Regulierung birgt die Chance, daraus Vorteile zu ziehen (regulatory arbitrage), da es Menschen gibt, die klüger sind. Frei nach dem Motto: „How to beat the system?“ Es kommt wie in der Medizin auf das Umfeld an. Medizin kann, wenn sie falsch eingesetzt wird, tödlich wirken. Der hoch innovative Finanzmarkt hat Produkte hervorgebracht, die über Jahrzehnte hindurch stabile Marktbedingungen gewährleistet haben. Die Angst vor dem bösen anonymen Spekulanten führte dazu, dass selbst Schwachwährungsländer ihre Währungen diszipliniert haben. Für eine Regulierungsbehörde ist es schwer abzuschätzen, ob ein Produkt gut oder böse ist, da nicht klar ist, unter welchen Bedingungen es vertrieben wird.

Die Furche: Meinen Sie damit auch Credit Default Swaps – also Finanzinstrumente, mit denen Verluste aus Krediten abgesichert werden?

Blum: Dieses Instrument wurde eingeführt, da es in den USA üblich ist, dass sich die Kreditgeber absichern und nicht wie in Europa die Kreditnehmer, beim Haus zum Beispiel mit einer Lebensversicherung. Die Innovation der Credit Default Swaps ist, dass die Kreditversicherung vom zugrunde liegenden Finanzgeschäft unabhängig gehandelt werden kann. Wenn nun der Kredit uneinbringlich ist, bekommt die Bank dennoch ihr Geld zurück. Mit solchen Instrumenten können Bomben hochgehen, wenn sie falsch verwendet werden. Die Finanzmärkte zu regulieren ist somit keine einfache Sache. Es ist, wie wenn die berittene Polizei versucht, einen Porsche einzuholen.

Die Furche: In Washington war die Rede von einer internationale Finanzmarktaufsicht, wie müsste diese aussehen?

Blum: So etwas könnte nur subsidiär organisiert werden. Wie die Europäische Zentralbank, unter der die einzelnen Zentralbanken in den Mitgliedsländern bestehen. Anders ist es nicht möglich, da alleine schon die Bankenverfassungen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind.

Die Furche: In Bretton Woods gelang eine internationale Absprache …

Blum: Der Vergleich ist völlig falsch. Damals hatte man Monate, um das Treffen vorzubereiten. Die Teilnehmer haben sich dann drei Wochen eingesperrt und beraten, und dann gab es eine dementsprechende Nachbearbeitung. Das Gute an diesem Schnellschuss in Washington war, dass man den Amerikanern klarmachen konnte, dass es Probleme bei der Regulierung der internationalen Finanzmärkte gibt. Grundsätzlich muss mehr Verantwortung ins System. Meiner Meinung nach sollten alle Unternehmen, die ihren Managern Boni geben, ebenso eine Malus- Regelung einführen.

Die Furche: Zur Realwirtschaft: Die ersten großen Schwierigkeiten haben die Autohersteller. Soll der Staat helfen, wie es Opel fordert?

Blum: Opel musste zwangsläufig in Schwierigkeiten geraten. Und das passierte nicht, weil sie keine guten Autos bauen, sondern weil sie ihre Autos nicht über die Grenzen von Europa hinaus verkaufen dürfen. Dieses Problem entsteht in einem Weltkonzern.

Die Furche: In erster Linie ist nicht die Finanzkrise schuld?

Blum: Opel ist Teil des Weltkonzerns General Motors (GM), und der lässt in den seltensten Fällen zu, dass seine Töchter ihre Produkte in den USA vertreiben. Opels Probleme sind die Folge von strategischen unternehmerischen Entscheidungen, diese sollen jetzt nicht durch die Politik mit Geld kompensiert werden. Opel könnte genauso erfolgreich sein wie VW. Vor 40 Jahren fuhr man in der Oberklasse nicht nur Mercedes, sondern vor allem Autos aus Rüsselsheim. Zur Modellpolitik: Die Kosten des Phaeton für VW sind immens, aber dieses Luxussegment strahlt auf die anderen Modelle ab, das hat Opel nicht. Noch einmal: Die Abschottung der Märkte kann fatal sein. Deutsche Geländewagen benötigen die Hälfte des Sprits, den US-amerikanische Kraftfahrzeuge verheizen. Auch ein Kleinwagen auf der Basis eines Astra mit europäischem Flair wäre sicher in den USA ein Erfolg gewesen. Die strategischen Entscheidungen waren unvollkommen. Ich bin nicht dafür, dass dies von der Politik abgefedert wird.

Die Furche: Also kein Geld nach Rüsselsheim?

Blum: Wenn die Regierung Geld gibt, dann muss sie verlangen, dass GM aus Opel wieder eine AG macht. Heute ist Opel eine GmbH. Mit dieser Gesellschaftsform ist es für den Staat schwierig, Einfluss zu nehmen, da der Gesellschaftervertrag das nicht vorsieht. Opel sollte aus dem Verbund mit GM aussteigen. Das geht – auch Mercedes gelang die Loslösung von Chrysler. Bei so einem Deal könnte Opel zwei GM-Werke in den USA übernehmen, die für attraktive Produkte geeignet sind. Wenn die Politik Geld in die Hand nimmt, dann soll Europa etwas davon haben.

Die Furche: Ist der Kapitalismus am Ende, oder braucht er nur mehr Verantwortung?

Blum: Der Kapitalismus war immer Verantwortung, da die Möglichkeit zu gewinnen immer mit der Möglichkeit zu verlieren gekoppelt war. Das aktuelle Problem ist, dass man eine virtuelle Grenze zwischen den Gewinnern und den Verlieren gezogen hat. Und jetzt wundert man sich, warum Gewinner und Verlierer nicht personenident sind, wie es bei jedem kleinen oder mittleren Unternehmen der Fall ist. Verantwortung auf der individuellen Ebene muss gestärkt werden, sonst bekommen wir die Wirtschaft nicht in den Griff. Da steckt viel vom europäischen Ethos drinnen. Eigentlich ist es eine Sünde gegen die europäische Kulturgeschichte, gegen unsere jüdische Kulturgeschichte oder unsere Philosophie. Die Art und Weise, wie in Europa wirtschaftlicher Erfolg möglich war, muss uns zu denken geben. Wir müssen uns auf unsere Wurzeln besinnen.

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