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Verstaatlichung der Kunst?

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Die Wahlen für den österreichischen Nationalrat sind vorübergegangen und haben deutlich erwiesen, daß das politisch reife österreichische Volk sich gegen eine weiterfressende Verstaatlichung ausgesprochen hat, wohl aus dem einfachen Grunde, weil eine solche Verstaatlichung nur einer Handvoll von Funktionären und nicht dem Volke zugute käme.

In dieser Zeit wird es vielleicht interessieren, daß es in Wien Bestrebungen gibt, die gerade jetzt auf eine Verstaatlichung von Kulturgütern gerichtet sind. Es liegt nämlich der Entwurf einer sogenannten Verwertungsgesellschaften-Gesetznovelle vor, die eine Ausweitung des Bereichs des schon seit 1936 bestehenden Gesetzes vorsieht.

Im Jahre 1936, in dem das neue, damals sehr fortschrittliche österreichische Urheberrechtsgesetz geschaffen wurde, entstand auch das Verwertungsgesellschaftengesetz. Dieses Gesetz sah vor, daß einzelne Unternehmen, die sich entweder mit der Vermittlung von Musikaufführungsrechten (staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger, kurz AKM genannt) oder mit der Nutzbarmachung von Vortrags-, Aufführungsoder Senderechten an Sprachwerken (Literarische Verwertungsgesellschaft, kurz LVG) befassen, einer Betriebsgenehmigung des Bundesministeriums für Unterricht bedürfen. Dieses weitläufige Gesetz hat aber auch noch andere Ziele. So sieht es vor, daß Gesamtverträge (Tarifverträge), die mit den Veranstaltern abgeschlossen werden sollen, eventuell durch eine Schiedskommission geregelt werden, um die Beziehungen zwischen den Veranstaltern bzw. Veranstalterorganisationen zu ordnen. Auch die Tätigkeit dieser Schiedskommissionen wird ausführlich in dem Gesetz geregelt. Ferner wurde ein Staatskommissär eingesetzt, dem der Abschluß, jede Aenderung und das Erlöschen eines Gesamtvertrages unverzüglich anzuzeigen und eine Abschrift des abgeschlossenen Vertrages vorzulegen ist. Der Staatskommissär hat auch allen Sitzungen des geschäftsführenden Vorstandes der Gesellschaft beizuwohnen und eventuell, wenn er es für notwendig findet, Berichte an den Bundesminister für Unterricht abzugeben. Es wird daraus ersichtlich, daß diese Staatsaufsicht sehr einschneidend ist bzw. sein könnte, und es bleibt verwunderlich, warum gerade die Kunst dadurch unter Kontrolle gestellt wurde. Es liegt darin gewiß ein Gedankengang, der sich ja auch später zur Kulturkammergesetzgebung unseligen Angedenkens entwickelte.

Zu welchem Zweck wurden nun diese Verwertungsgesellschaften geschaffen? Der Schöpfer des Urheberrechtsgesetzes und des Verwertungsgesellschaftengesetzes (schon dieser schwerfällige, falsche und an „Knochenverwertung“ gemahnende Titel ist ein Unding auf geistigem Gebiet!) enthüllt die Absichten dieses Gesetzes sehr deutlich in seinen erläuternden Bestimmungen (Manz-Verlag, Erste Auflage, S. 353/55). Das Gesetz wird damit begründet, daß durch die staatliche Genehmigung der betreffenden Gesellschaft eine Monopolstellung eingeräumt wird, die zu einer mißbräuchlichen Handhabung einer solchen Stellung verleiten könnte und darum eine Staatsaufsicht notwendig mache. Nun liegt in dieser Begründung ein Trugschluß, da die AKM schon lange vor 1936 durch die Verträge mit den Mitgliedern, kraft der Statuten der Gesellschaft und durch die Verträge mit den gleichartigen ausländischen Gesellschaften, immer eine Monopolstellung innehatte, ohne daß je eine staatliche Aufsicht nötig wurde. Der Zweck dieser gesetzlichen Bestimmungen wird aber noch deutlicher, wenn ausgeführt wird, daß damit den Veranstaltern — also gegen die Interessen der Urheber — „die Erlangung der Werknutzungsbewilligungen gegen angemessenes Entgelt (soll der Staat darüber entscheiden, was angemessen ist?) tunlichst zu erleichtern sei“.

In allen diesen Bestimmungen tritt demnach klar zutage, daß an eine Kontrolle und Fesselung der Urheberrechtsgesellschaften gedacht ist. Diese Ansicht wird noch dadurch gestärkt, daß den Urhebern aus dem Gesetz keinerlei Vorteile erwachsen. Denn, positiv gesehen, haben die schaffenden Künstler durch das Gesetz eher geringere als höhere Einnahmen zu verzeichnen und in negativer Beziehung hat sich der Unwert dieser Staatsaufsicht schon darum deutlich herausgestellt, weil durch sie beispielsweise nicht verhindert wurde, daß eine ganze Anzahl von unnötigen Prozessen der AKM geführt werden. Diese bringen Unruhe und Zwistigkeiten zwischen den Mitgliedern und Schwestergesellschaften mit sich, nelasten die Mitglieder mit hohen Gerichts- und Anwaltsspesen und führen dazu, daß schon viele wichtige Mitglieder die AKM verlassen haben.

Und nun soll dieses Verwertungsgesellschaftengesetz durch eine Gesetznovelle zumindest auf die Austro-Mechana, die sich mit der durch das Magnetophon immer wichtiger werdenden Lizenzierung der mechanischen Musik befaßt, ausgedehnt werden. Durch eine solche Ausdehnung des Gesetzes auf weitere Urheberrechtsgesellschaften taucht immer mehr die Gefahr einer Dirigierung von Kunst und Kultur, einer Kulturkammergesetzgebung, kurz — der Verstaatlichung von Kunst und Kultur auf. Auch die Genossenschaft dramatischer Schriftsteller und Komponisten hat sich darum entschieden gegen eine solche Ausdehnung der Verwertungsgesellschaftengesetzgebung gewendet und glaubt die Allgemeinheit im Hinblick auf die drohende Gefahr eines Sinnes mit ihr.

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